Meine heimliche Liebe zu Frau Reitlehrerin ist erkaltet. In Wirklichkeit ist sie eine fiese Spaßbremse. Wie konnte ich sie nur so verkennen? Aber der Reihe nach, es fing nämlich ganz harmlos an. Und zwar so:
„Guck mal, das sieht doch schön aus, oder?“ Glücklich lächelnd arrangiert Hansis Besitzerin die letzten Heuhalme. Sie hat nämlich auf „selber misten“ umgeswitcht, um Geld zu sparen. Und da der Stall eine Heu-Flatrate anbietet, hat sie Hansis Box kurzerhand mit Heu eingestreut. Zum einen ist der Weg zum Heulager nicht so weit wie der zum Strohlager, und Späne oder so was sind ihr schlicht zu teuer. „So kann der Hansi schön im Heu schlafen und im Liegen noch was knabbern.“
Die sogenannte Besitzerin staunt. Die Box mit Heu einstreuen, darauf ist sie noch nicht gekommen. Und sie ist ja grundsätzlich für jede Schnapsidee zu haben. Und ich möchte das bitte auch. Der Hansi ist eh zu fett, aber ich bin ja noch voll im Muskelaufbau und ich will das. Jetzt.
Auffordernd bollere ich gegen die Boxentür. Einmal All you can eat, aber zack, zack! Keine Reaktion. Aber der Lutschi, was unser spanisches Mähnenwunder ist und die orale Phase nie überwunden hat, hat auch Hunger und bollert von nebenan spontan mit.
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„Hast du Hunger, du armer Schatz?“, fragt die Frau, die meine Meinungsäußerung stoisch ignoriert, aber Wachs in den Hufen meines grenzdebilen Boxennachbarn ist, und stiefelt direkt los, um schubkarrenweise Heu zu holen. Denn, so ihr Gedanke, Frau Hansi hat gute Ideen und das Strohlager ist tatsächlich einfach zu weit weg. Warum in die Ferne schweifen, sieh, das Gute liegt so nah. Oder so ähnlich. Also auf ins Heulager und dort zuschlagen wie am Black Friday.
Viele, viele Schubkarrentouren später ist die Box vom Lutschi zum begehbaren Fresstempel mutiert. Meine zum Glück auch. Der Lutschi und ich können unser Glück nicht fassen und hauen erst mal ordentlich rein. Buffet, ne. Da muss man sich ranhalten. Wisst ihr ja selbst.
Tja, und dann nähert sich das Unheil in Form von Frau Reitlehrerin. Die hat ja diesen unheimlichen Sensor und kriegt sofort mit, wenn irgendwo was Spannendes passiert. Leider auch, wenn mal was Schönes geschieht und zwei ausgehungerte Pferde bis zu den Ohren im Heu stehen.
„Hast du die Boxen mit Heu eingestreut?“, fragt sie und fängt erstmal ihre Kinnlade ein. Die ist ihr nämlich kurzfristig entgleist. Dann macht sie irgendwas innerliches, atmet tief durch und installiert ihr pädagogisches Lächeln.
Frau Hansi ist beizeiten nach Hause gefahren, die ist also raus aus der Nummer. Zurück bleibt die Frau, unsere sogenannte Besitzerin, die nicht ohne Größe erklärt, sie hätte ja eine Heu-Flatrate (seit gerade eben, um genau zu sein), und außerdem wäre der Weg ins Strohlager viel zu weit, tut ihr furchtbar leid. Und eben: „Weil ich’s kann, darum!“
Frau Reitlehrerin macht wieder irgendwas Komisches mit ihrer Kinnlade, lächelt tapfer und erklärt, dass eine Heu-Flatrate gut und schön ist, aber dass Pferdefutter einfach zu schade ist, um damit Boxen einzustreuen.
„Aber es ist doch genug da“, erwidert die sogenannte Besitzerin, die ihre schöne Idee nicht kampflos aufgeben will.
„Das möchte unser Stallbesitzer vielleicht noch verkaufen, wenn er zu viel davon hat.“
„Wieso?“, zeigt sich die Frau uneinsichtig. „Wir haben Flat, wir wollen Heu.“ (Gutes Frauchen! Weiter so!)
„Weil Heu doppelt so viel kostet wie Stroh, zum Beispiel. Weil ganz viele Stallbetreiber finanzielle Schwierigkeiten haben und deshalb mit der Pensionspferdehaltung aufhören.“
„Wie – die hören auf? Einfach so?“
„Ja, einfach so. Die verkaufen oder verpachten ihre Ställe oder hören einfach mit den Pensionspferden auf und nutzen die freien Flächen als Lager oder für andere Tierarten.“
„Und die Pferdebesitzer?“
„Die müssen sich dann natürlich neue Ställe suchen.“
„Die sind dann bestimmt auch teurer“, überlegt die sogenannte Besitzerin.
„Durchaus möglich. So ein Stallbesitzer muss ja auch genug zum Leben erwirtschaften und möglicherweise auch Rücklagen bilden, wenn mal was kaputt geht und repariert werden muss.“
Hm, macht die sogenannte Besitzerin. Ich spüre es ganz deutlich, jetzt knickt sie ein. Und ich hatte sie gerade so lieb. „Murmel murmel Stroh“, sagt sie.
„Du willst ab morgen wieder mit Stroh einstreuen?“, rät Frau Reitlehrerin
„Murmel murmel genau.“
„Das finde ich sehr verantwortungsbewusst“, lobt Frau Reitlehrerin.
Und ich fühle mich murmel murmel ungeliebt und würde gern murmel ausziehen. Der Lutschi kann ja da wohnen bleiben, der ist eh zu dick. Aber mein zarter Körper braucht mehr Nahrung. Wo ich die feine Dame ständig rumschleppen muss. Das kostet ganz schön Kraft! Ich notiere: Nächste Woche Home Office, maximal Bodenarbeit. Kein, ich wiederhole, kein Reitunterricht. Weil ich’s kann, darum.
Bild: rihaj/Pixabay
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