„Oh oh oh, der sieht aber schlecht aus“, findet die Frau, meine sogenannte Besitzerin. Sie steht am Rand des großen Wallachpaddocks und mustert meine Kollegen kritisch. „Bestimmt Selenmangel“, ist ihr Urteil. „Und deeeeer ist viiiieeeel zu dick.“
Meint sie etwa mich? Frechheit! Aber dann erkenne ich, dass sie mit ihren Blindschleichenaugen nicht in meine Richtung starrt, sondern Norbert, den Haflinger, fixiert. Er selbst behauptet von sich, ein Schwarzwälder Fuchs zu sein, aber da gehen die Meinungen stark auseinander. Essen tut er jedenfalls wie ein Kaltblut.
Und so geht das immer weiter. Der eine guckt komisch, der nächste hat „ganz sicher“ Kupfermangel, der dritte einen Hängebauch, ein anderer komisches Fell – ganz klar eine Stoffwechselstörung, die nur sie erkennt.
Und wozu das alles, fragt ihr euch. Ich will es euch verraten: Die sogenannte Besitzerin hat mal wieder ein neues Leben angefangen. Ihr wisst schon, eins von der Sorte „Mit Pferden reich werden und nie wieder ins Büro müssen“. Wo im Zweifel nur die Damen und Herren Ausbilder reich werden.
Aber egal, sie will es so, also macht sie es auch so. Dieses Mal wird sie „Ganzheitliche Futterberaterin mit Herz und Hirn“ in nur drei Tagen. Und das Beste: alles online, man hat keinen lästigen Kontakt mit anderen Menschen. Herz und Hirn werden wahrscheinlich mit DHL geliefert, weil vorhanden sind die nicht 😛
Wo sie jetzt schon die Ausbildung günstig im Internet geschossen hat, fehlt ihr nur noch ein griffiger Name für ihr Geschäftsmodell. Irgendwas mit holistisch und healthy happy horse. Wenn euch sowas begegnet: lauft!
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Was aber schon mal steht, ist das Beratungskonzept an sich. Die Opfer Pferdebesitzer müssen einen Fragebogen ausfüllen, Fotos vom Pferd mitschicken und abwarten, bis Madame die Rationen ausgependelt hat. Mineralien empfiehlt sie auch gern. Zinkmangel hat ihrer Meinung nach fast jeder. Selen und Mangan klingt auch so exotisch, dass man es einfach mal verdachtsweise mit dazuschreiben kann. Natürlich so formuliert, dass es passen könnte, aber nicht muss. Zum Beispiel so: Bei Blue Starlight könnte die Gabe von xyz hilfreich sein. Das klingt interessant, das klingt hilfreich, damit könnte man den Leuten das Geld aus der Tasche ziehen.
Dazu hat sie sich noch ein paar passende Heilschwurbelsätze ausgedacht, die so allgemein formuliert sind, dass man sie eigentlich immer anwenden kann. Um das dritte Auge zu öffnen, musst du deinem Pferd Liebe senden. Sowas in der Art. Und das Allerbeste: Der Kontakt mit den lästigen Kunden erfolgt maximal telefonisch, am liebsten nur per E-Mail. „Ist auch viel besser so, wegen der Fotos und wegen dem Fragebogen“, erklärt sie Frau Reitlehrerin, die sich irgendwann dazugesellt.
„Und du meinst, eine dreitägige Ausbildung macht, dass du dich mit Pferdefütterung auskennst?“, fragt die ungläubig.
Immer diese Zweifler mit ihrer Negativität! „Natürlich. Schließlich habe ich ja auch Erfahrung als Pferdebesitzerin und auch schon viele Videos im Internet gesehen“, antwortet die sogenannte Besitzerin lässig.
„Du weißt aber schon, dass Selen oder Kupfer in Überdosis gefährlich sind und man dann sicherheitshalber die gesamte Ration analysieren sollte?“
„Kein Problem, ich gebe ja nur Empfehlungen“, winkt die Frau mit treuherzigem Blick ab. „Was die Besitzer dann tatsächlich machen, ist ihre Sache.“
„Und deshalb ist es wichtig, sich einen Fütterungsberater zu suchen, der das auf vernünftige Art und Weise gelernt hat und wo man vielleicht auch zufriedene Kunden kennt. Und bestenfalls auch deren Pferde“, verkündet Frau Reitlehrerin. „Oft können einem die Tierärzte jemand empfehlen, der sich mit Pferdefütterung auskennt.“
Und da ist die sogenannte Besitzerin ausnahmsweise so gescheit, nicht mit Frau Reitlehrerin zu diskutieren, sondern in einem ruhigen Moment mal in sich zu gehen und zu überlegen, ob die ultra-superschnelle Blitzausbildung vielleicht möglicherweise doch nichts getaugt hat 😛
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