„Issernichsüß? Ja issernichsüß?“ Fragend wendet sich die Frau an Frau Reitlehrerin, während ein zotteliger Welpe an ihr hochspringt. Und zu dem herumhopsenden Hundchen: „Ja wo ist denn der kleine Schnuckiputzi? Gell, du bist süß!“
„Ja, der ist süß“, bestätigt Frau Reitlehrerin. „Den hab ich mitgebracht.“
„Du hast einen Hund?“, staunt die sogenannte Besitzerin.
„Nur als Urlaubsvertretung“, erklärt Frau Reitlehrerin.
„Und wie heißt er?“
„Joshua-Leon.“
„Awwwwwwww“, jauchzt die Frau. „So ein Süüüüüüüüßer!“
Der Lutschi, der unser spanisches Mähnenwunder ist, und ich stehen am Zaun und beobachten das Geschehen aus sicherer Entfernung. Was vernünftiger ist, wenn die Frau an irgendwelchen Aktivitäten beteiligt ist. Ihre Schnapsideen sind legendär. Ich erinnere da nur an ihre Versuche zum Thema Reitkunst. Aber noch viel lieber würden wir uns die Ohren zuhalten können, denn die Frau ist mit Issernichsüß? Ja issernichsüß? auf Autorepeat. Hunde sind anscheinend nur begrenzt intelligent, denn im Gegensatz zum Lutschi und zu mir verdreht Joshua-Leon bei den hohen Piepstönen nicht die Augen und erhöht auch nicht die Fluchtbereitschaft. Stattdessen umwuselt er die Frau immer ekstatischer. Die schmilzt dahin und man kann förmlich dabei zugucken, wie ihre Gehirnzellen Selbstmord begehen.
Wenig später im Reitunterricht ist die Frau sogar für ihr Verhältnisse unkonzentriert und verwechselt rechts und links noch häufiger als sonst. Und als sie dann auch noch die Hufschlagfiguren durcheinander schmeißt und zum dritten Mal in Folge statt der Mittellinie die Diagonale anpeilt, fragt Frau Reitlehrerin, was denn los ist.
Und dann kommt es, wie es kommen muss: Wenn das Herzchen überquillt, muss man es sagen. „Ich will auch so einen!“, bricht es aus der sogenannten Besitzerin heraus.
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„Aber du hast schon zwei Pferde“, erwidert Frau Reitlehrerin aka die Stimme der Vernunft.
„Ach egal, für so einen kleinen Putziwutzi finde ich auch noch Zeit!“
„Aber der kleine Putziwutzi braucht viel Auslauf und du musst mehrmals täglich mit ihm Gassi gehen. Und wenn du Pech hast, auch nachts“, gibt Frau Reitlehrerin zu bedenken.
„Das kann ja der Mann machen“, wischt die Frau etwaige Bedenken lässig beiseite. „Und sonst kann der beim Ausreiten mitlaufen, das sieht bei den anderen immer so schön aus!“
Wo du ja so oft ausreitest, du alter Angsthase, denke ich mir. Und so toll Tiere erziehen kannst. Aber ich bin ja hier nur das Pferd und hab eh keine Ahnung.
Frau Reitlehrerin erklärt, man sollte das besser nach der Reitstunde besprechen und stellt mühsam die Ordnung wieder her. Die Frau murmelt zwischendurch immer wieder „Issernichsüß“. Der kleine Putziwutzi nagt währenddessen die Leine durch, mit der er bis dato angebunden war, und erkundet die Umgebung. Nach einer großen Runde übers Paddock, wo er die anwesenden Pferde jagt, stürmt er zielsicher auf den Reitplatz und peilt mein linkes Hinterbein an.
Die Frau strahlt. „Guck mal, er mag mich! Und er mag Pferde, gell, Joshua-Leon?“
Bevor Joshua-Leon zuzwicken kann und unweigerlich von mir ins Hunde-Nirwana befördert wird, greift Frau Reitlehrerin ein und schnappt sich den Ausbrecher. Begleitet von den Klagelauten der Frau („Komm zurück, kleines Hundebaby!“) bringt sie Joshua-Leon ins Auto, wo er möglicherweise nur die Sitze gefährdet, und setzt die Reitstunde fort.
Kaum, dass ich abgesattelt und wieder auf dem Paddock bin, geht der Wahnsinn weiter. Joshua-Leon darf das Auto verlassen. „AAAAAAAAAHHHHHHHHH HUNDEBEEEEEEEEEEBI“, kreischt die Frau und Joshua-Leon, befeuert durch einen mächtigen Adrenalinschub, schlüpft elegant aus dem Halsband und tobt wie ein Irrwisch über den Reitplatz. Zum Glück ist kein anderer Reiter unterwegs.
„So einen will ich auch“, erklärt die Frau.
Frau Reitlehrerin seufzt. Was soll sie auch sonst tun. „Was machst du denn tagsüber, wenn du im Büro bist?“, erkundigt sie sich.
„Dann kannst du ja auf ihn aufpassen“, strahlt die Frau.
„Du musst ihn auch erziehen.“
„Ja klar“, winkt die Frau ab. „Genau wie die Pferde. Das mache ich ganz intuitiv.“
Und das ist dir ja nicht so ganz gelungen, gell.
Und nach einer kurzen Pause: „Und tagsüber ist er ja bei dir.“
Frau Reitlehrerins Lächeln sieht allmählich gezwungen aus.
Während Joshua-Leon das Gespräch zunächst angeregt verfolgt hatte, hat er jetzt einen Riesenhaufen gemacht und guckt Frau Reitlehrerin fragend an.
„Wenn du willst, kannst du ja schon mal üben“, schlägt die vor.
„Au ja!“ Die Frau ist Feuer und Flamme. „Was soll ich denn mit dem Hundchen machen?“
„Zuerst mal den Haufen weg“, erklärt Frau Reitlehrerin.
Die Frau steht kurz vor der Ohnmacht. „IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIEEEEEEEEEEEEEEEEEHHHHHHHHHHHHH. Das geht nicht“, wehrt sie ab.
„Das muss aber gehen. Wenn Joshua-Leon auf die Stallgasse kackt, muss es ja auch weggeräumt werden.“
Die Frau macht angeekelte Geräusche. „Aber hier draußen ist es doch egal!“
Da möchte ich dich mal erleben, wenn ich in so eine Tretmine reinlatsche und du mir hinterher die Hufe auskratzen musst, denke ich mir.
„Wenn alle Hunde, die am Stall rumlaufen, hier draußen einen Haufen machen und keiner räumt den weg, kannst du dir ja vorstellen, wie es hier in einer Woche aussieht“, erklärt Frau Reitlehrerin. „Außerdem: Beim Gassigehen gehört das dazu. Dafür hat man ja auch diese Kackbeutel an der Leine dran.“
„Hundekaka wegräumen? Das ist so… das ist so…“ Die Frau ringt nach Worten. Ich glaube, sie ist vorerst kuriert. Und wenn sie doch mal Langeweile hat, kann sie schön unsere Weide abäppeln.
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