„Isidor töltet nicht mehr!“ Seine Besitzerin ist ganz aufgeregt. Isidor hat sonst so zuverlässig wie ein Uhrwerk getöltet und mich mit seinem lauten Takka-Takka das ein oder andere Mal an den Rand des Wahnsinns gebracht. Ich persönlich finde eh, dass Isis waffenscheinpflichtig sind, aber auf mich hört ja keiner.
„Was soll ich denn jetzt tun?“ Mit weit aufgerissenen Augen starrt sie die Frau, meine sogenannte Besitzerin, an. Die ist bekanntlich selbsternannte Pferde-Expertin und amtliches Naturtalent und wirft sich stolz in die Brust. „Ich kann ja mal gucken“, bietet sie an.
Gesagt, getan. Wobei ich nicht weiß, was die kurzsichtige Madame da besichtigen will, der Isidor ist ja tendenziell eher klein. Aber egal. Mit viel „Hm hm“ und „So so“ und gerunzelter Stirn starrt sie auf den Töltverweigerer.
„Und? Was denkst du?“, fragt Isidors Besitzerin aufgeregt. Denken? Die Frau? Machst du Witze?
Weil ihr auf die Schnelle nix Pfiffigeres einfällt, schlägt die Frau eine Tierkommunikatorin vor. Und hat sie nicht kürzlich eine Werbung für Töltspray gesehen? „Wie reitest du denn den Isidor?“, will sie schließlich wissen.
„Im Gelände. Wir sind gern schnell unterwegs!“, antwortet Isidors Besitzerin treuherzig. Ich kann das übrigens ergänzen: Mit Unterhals und ohne Rücken 😛
„Und dressurmäßig?“
Isidors Besitzerin guckt erstaunt. WIESO???, sagt ihr Blick. „Das ist ein Isi und kein Dressurpferd“, antwortet sie schließlich.
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Und wie es der Zufall so will, kommt gerade Frau Reitlehrerin am Isi-Offenstall vorbeigeschlendert. Reitlehrer haben bekanntlich die Gabe, überall dort aufzutauchen, wo es gerade spannend ist, und Frau Reitlehrerin hat in der Hinsicht ein geradezu übernatürliches Talent.
„Der Isidor töltet nicht mehr“, erfährt sie dann auch gleich. „Und das ist ganz furchtbar, weil ich ihn doch nur fürs Tölten gekauft habe!“
Aha. So ist die Sachlage also. Frau Reitlehrerin erklärt freundlich lächelnd, dass sie sich mit Isis und eventuellen Gang-Defiziten nicht auskennt, aber dass es bestimmte Dinge gibt, die für alle Pferde und Ponys wichtig sind. Behutsam setzt sie Isidors Besitzerin auseinander, dass Pferde – anders als zum Beispiel Fahrräder oder Tennisschläger – Lebewesen sind, für die man Verantwortung trägt.
„Ich mag ihn doch auch total gern“, antwortet Frau Isidor. „Aber ich will nun mal tölten!“
Frau Reitlehrerin lässt ihre Augen einmal über Isidors Exterieur wandern. Ihr Blick bleibt an seinem Rücken hängen.
„Was für eine schöne Sattellage er bekommen hat!“ freut sich seine Besitzerin, die Frau Reitlehrerin beobachtet hat. „Früher konnte man die gar nicht sehen. Aber jetzt hat sie sich sehr gut herausgebildet.“
Frau Reitlehrerin lächelt tapfer und erklärt, dass die Kuhlen in Isidors Rücken in Wirklichkeit atrophierte Rückenmuskeln sind. „Kann es eventuell sein, dass der Sattel kontrolliert werden muss?“
„Wieso denn das? Den hab ich zusammen mit Isidor gekauft, der ist tippi-toppi.“
„Sättel müssen regelmäßig kontrolliert und gegebenenfalls neu angepasst werden, weil sich Pferde ja permanent verändern.“
„Isis nicht.“
„Auch Islandpferde.“ Frau Reitlehrerin lächelt zwar, ist aber in dem Punkt unnachgiebig. „Außerdem ist der Isidor sehr kurz.“ Sie demonstriert, bis wo der Sattel aufliegen darf, nämlich maximal bis zur letzten Rippe. „Vielleicht wäre es keine schlechte Idee, da zuerst mal die Osteopathin draufgucken zu lassen. Die kann dir auch vorab schon ein paar Tipps für den Muskelaufbau geben.“
„Osteopathin? Muskelaufbau? So einen Aufwand wollte ich eigentlich nicht treiben“, wendet Isidors Besitzerin zaghaft ein. „Was ist denn eigentlich mit diesem Töltspray?“
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Darauf geht Frau Reitlehrerin gar nicht ein. „Der Isidor soll dich ja schließlich tragen können, ohne Schaden zu nehmen. Und dafür braucht er einen gesunden Rücken.“
„Ach so, ja, stimmt.“
Auch die Frau, meine sogenannte Besitzerin, muss Frau Reitlehrerin da recht geben und doziert klugscheißerisch: „Jedes Pferd, das geritten wird, muss gymnastiziert und geradegerichtet werden.“
„Wieso denn das?“
Die Frau kann die Frage nicht beantworten und guckt hilfesuchend zu Frau Reitlehrerin.
„Damit es nicht übermäßig verschleißt und lange gesund bleibt“, erklärt die.
„Ach so.“ Das findet Frau Isidor einleuchtend. „Und wie macht man so Pferde – Gymnastik?“
„Zum Beispiel durch Bahnfiguren reiten“, schlägt Frau Reitlehrerin vor.
„Und dann töltet der Isidor wieder?“
„Für den Tölt musst du dir einen Gangpferde-Experten suchen, aber das ganz normale dressurmäßige Gymnastizieren kann ich dir beibringen“, bietet Frau Reitlehrerin an.
Frau Isidor ist begeistert und will direkt Termine machen.
„Nachdem der Sattler und die Osteo da waren“, bremst Frau Reitlehrerin.
Und seitdem leistet der Isidor mir und dem Lutschi manchmal auf dem Platz und in der Halle Gesellschaft. Zum Glück töltet er noch nicht wieder, das würden meine Nerven nicht mitmachen. Bei Takka-takka-takka passieren nämlich genau zwei Dinge: 1. Ich bin dann mal weg und 2. steppt dann sogar das sonst so coole spanische Mähnenwunder wie ein Huhn auf der heißen Herdplatte 😛
Die sogenannte Besitzerin fragt sich immer noch, warum denn keiner dieses sagenumwobene Töltspray kauft, bis sich schließlich Frau Reitlehrerin erbarmt und ihr erklärt, dass das mit Sicherheit ein Aprilscherz war. Schließlich gäbe es auch keine Piaffe-Pellets. Was die Frau eine ziemliche Marktlücke findet.
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