Wie immer, wenn meine Besitzerin nichts mit sich anzufangen weiß, will sie ein neues Leben anfangen. Dieses Mal mit einem neuen Beruf.
Was sie sich denn da so vorstellen würde, fragt der Mann, denn natürlich hat sie laut gedacht.
Irgendwas mit Pferden!, kommt wie aus der Pistole geschossen die Antwort.
Ah ja, nickt der Mann schicksalsergeben.
Immer im Büro rumsitzen, das könnte ja nicht alles sein. Sie müsste sich verwirklichen, und sie würde ganz deutlich spüren, dass es was mit Pferden sein muss. Und ohne Büro.
Das wären ja schon sehr konkrete Vorstellungen, merkt der Mann an.
Ja, nicht?, strahlt die Frau, an der Ironie abprallt wie der Lutschi, unser minderjähriges spanisches Mähnenwunder, am Elektrozaun. Aber nix mit Reiten, ergänzt sie. Ihre Stärken würden woanders liegen. Für diese ausnahmsweise einmal realistische Selbsteinschätzung schenke ich ihr ein flauschiges Ich-hab-dich-lieb-Lächeln, ganz ohne Hintergedanken. Das angebotene Leckerli nehme ich natürlich trotzdem.
Wieso selber reiten, erklärt mein Frauchen, wenn man doch cool in der Mitte stehen und ganz wichtig Unterricht geben könnte. Das machen so viele, das kann doch nicht so schwer sein. Sie selbst hört sich ja immer gern reden und Erfahrung hätte sie auch genug. Schließlich ist sie nicht mehr die Jüngste. Und ein besonderes Händchen für Pferde hat sie auch, jawohl.
Also bekommt der Mann fix eine Reitstunde bei ihr verordnet, die fast zur Ehekrise führt. Was natürlich nicht an ihren didaktischen Fähigkeiten, sondern an seinem mangelnden Talent liegt. Und natürlich an mir, denn ich wäre als Lehrpferd denkbar ungeeignet. Außerdem würde dem Mann und mir die richtige Einstellung fehlen. Immer diese Fragen und diese zweifelnden Blicke! Herrjesses, so kann man sich doch nicht konzentrieren!
Der Mann vertraut mir an, dass das eigentlich schade sei, denn die Frau hätte ernstlich über eine Ausbildung zur hippologisch zertifizierten Reitlehrerin nachgedacht. Es geht nämlich nix über einen wohlklingenden Titel und ein Stück Papier, das man an die Wand hängen kann. Außerdem dauert die Ausbildung nur vier Tage und kostet keine tausend Euro. Er kichert.
Soll aber keiner sagen, die Frau wäre nicht flexibel. Sie verkündet nämlich jetzt, dass Unterrichten nicht so ihr Ding wäre. Frau Reitlehrerin, der Mann und ich sind erleichtert.
Denn sie hätte festgestellt, macht die Frau weiter, dass ihre Fähigkeiten ganz woanders liegen. Wir warten gespannt.
Und zwar im medizinischen Bereich.
Frau Reitlehrerin und der Mann gucken beeindruckt, ich gehe sicherheitshalber ein paar Schritte zurück. Nicht, dass es schon wieder eine Wurmkur gibt!
Neue Chancen durch neue Berufe, liest die Frau von einem bunten Zettel vor. Ausbildung zur Tierkommunikatorin an nur vier Wochenenden! Oder hier – ihr Blick wird glasig – ein Fernlehrgang für die Ausbildung zur Tierpsychologin! Oder Tierheiltherapeutin! Tierenergetikerin mit Spezialisierung auf Pferde, die Ausbildung inklusive Prüfungsgebühr für nur 5.800,00 EUR!
Das wäre aber ein Schnäppchen, bemerkt Frau Reitlehrerin trocken.
Nicht wahr?, strahlt die Frau.
Während Frau Reitlehrerin der Frau behutsam auseinandersetzt, dass es sich dabei mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nicht um seriöse Ausbildungsangebote handelt, nach deren Absolvierung man mit staatlicher Anerkennung frohgemut Pferde behandeln und dabei auch ausreichend Geld für den eigenen Lebensunterhalt (und den vom Lutschi und mir) verdienen könne, möchte der Mann jetzt auch ein neues Leben und selbst so eine Akademie eröffnen, um den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen. Er befürchtet aber, dass er dafür nicht lang genug ernst bleiben kann.
Ich hätte übrigens auch gern ein neues Leben. Als Beistellpferd. Aber mich fragt ja keiner.
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