Hach, Garrocha. Das wär‘s doch, denkt die sogenannte Besitzerin und malt sich aus, wie sie -zugleich lässig und elegant – die lange Stange mal hierhin, mal dorthin hält und damit anmutige Wendungen und Handwechsel reitet. Das nennt man übrigens Realitätsverlust 😛
Eines Tages ist der Wunsch so groß, dass sie nicht länger widerstehen kann. Möglicherweise ist auch Langeweile im Spiel. Also beauftragt sie den Mann damit, eine zu beschaffen – egal wie.
Woher nehmen und nicht stehlen?
Egal wie hört sich ja erstmal toll an. Der Mann, der seine Liebste mittlerweile besser kennt und weiß, wie schnell ihre Leidenschaft erkalten kann, findet es aus diesem Grund wichtig, dass das Gerät gut zu verstauen ist, wenn man es gerade nicht braucht. So wie wir die sogenannte Besitzerin einschätzen, wird es nämlich nach einmaligem Ausprobieren in irgendeiner dunklen Ecke Staub ansetzen.
Rasch wird gegoogelt, und siehe da, die allermeisten Garrochas sind teilbar. Was ja schon für den Transport günstig ist, wenn man so was im Internet bestellt. Das Dingens muss ja auch irgendwie ins Postauto reinpassen. Aber teuer sind die. Zum Glück gibt’s Anleitungen, wie man sich so eine lange, unhandliche Stange, die einem beim Reiten Probleme macht, auch selber basteln kann. Findet der Mann prima, weil ihm das Basteln Spaß macht. Die Frau insgeheim auch, weil sie so sehr viel in den Herstellungsprozess reinquatschen kann. Wer es selbst nicht kann und auch keinen hat, der einem sowas zusammenzimmert, bestellt sich eine Garrocha im Internet. Und bis die endlich da ist, kann man sich schon mal – zumindest in der Theorie – mit dem Handling auseinandersetzen. Spätestens jetzt nochmal die Warnung: Nachmachen auf eigene Gefahr, die sogenannte Besitzerin weiß für gewöhnlich nicht, was sie tut.
Blöderweise hat auch Frau Reitlehrerin bisher keine Garrocha-Ambitionen gezeigt. Auch sonst gibt es anscheinend wenig Leute, die sowas unterrichten. Ganz zu schweigen von Büchern. Was also tun? Klassiker: YouTube-Videos gucken und versuchen, das Gesehene nachzumachen 😉
Frau Reitlehrerin wird nochmal befragt, ob sie sich denn ganz eventuell vorstellen könnte, die Frau bei den Anfängen mit der Garrocha zu unterstützen, damit sie weder mir noch sich selbst damit den Schädel einschlägt. Weil Frau Reitlehrerin gern lacht und insgeheim die Befürchtungen des Mannes teilt, willigt sie ein, sich ebenfalls mit Hilfe von Videos fortzubilden und die Bemühungen der Frau zu überwachen. Damit wenigstens ein vernunftbegabter Mensch dabei ist, murmelt der Mann so leise, dass ihn die Frau nicht hört. Aber da muss er sich keine Sorgen machen, die ist ohnehin nicht mehr von dieser Welt und hängt pausenlos vor PC oder Smartphone, um die Stockwedelei zu studieren.
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Stockwedeln, die erste. Wie fasst man das Dingens eigentlich an?
Die Frau hält sich ja nach wie vor für ein Naturtalent. Zumindest so lange, bis sie die fertige Garrocha in der Hand hält. Aus Sicherheitsgründen am Boden, weit weg von irgendwelchen Pferden. Frau Reitlehrerin hat nämlich vorgeschlagen, doch erst mal ohne Pferd zu üben, wie man mit dem langen Stock am besten umgeht.
Denn genau das ist er. Lang. Und schwerer als erwartet. Und die Fragezeichen auf der Stirn der sogenannten Besitzerin werden immer größer.
„Du nimmst sie in die rechte Hand. In der linken sind die Zügel. Das ist bei Arbeitsreitweisen so üblich“, teilt Frau Reitlehrerin mit.
„Ah. Oh.“
„Und zwar fasst du nicht am spitzen Ende an.“
„Nein?“
„Nein. Das zeigt nach unten. Du greifst sie weiter oben im sogenannten Untergriff. Sprich: Die Garrocha fällt in deine geöffnete Hand. Danach schließt du die Hand wieder.“
„Oh. Ah.“ Kurze Pause. „Ups, runtergefallen.“
„Prima, dann kannst du sie direkt aufheben und das mit dem Untergriff wiederholen. Und jetzt spielst du Pferdchen und läufst im Kreis um die Spitze der Garrocha herum. Also quasi eine Volte, bei der du die Garrocha mit der locker herabhängenden rechten Hand führst.“
„Oh. Ah.“ Hoffentlich guckt keiner, denkt die Frau und galoppiert brav an. Wer hätte gedacht, dass der blöde Stock so schwer ist. „Und wie gehen Handwechsel? Ich bin ja jetzt auf einer Rechtsvolte. Wie geht denn linksrum?“, fragt sie, weil sie sich an die geguckten Videos nur schemenhaft erinnern kann. Zum Glück kennt sich Frau Reitlehrerin mit dem Erlernen neuer Bewegungsabläufe besser aus und antwortet lässig: „Du hast zwei Möglichkeiten, die Hand zu wechseln. Die einfache, das ist eine Wendung nach außen. Oder die anspruchsvollere, das ist die Wendung nach innen, unter der Garrocha durch.“
Die Frau hat sich schon wieder mit ihren Körperteilen verheddert und möchte die einfachere Möglichkeit. Frau Reitlehrerin dirigiert: „Die Hand ganz nach oben strecken und nach links abwenden, dabei nimmst du die Hand mit der Garrocha wieder herunter, so dass du den Arm vor dem Körper und die Garrocha auf der linken Seite hast. Jetzt kannst du Linksvolten um die Garrocha herum gehen.“
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„Man bricht sich tatsächlich nicht die Hand dabei!“
„Man bricht sich tatsächlich nicht die Hand dabei!“ Die Frau ist begeistert. „Und wie geht es wieder zurück?“
„Du nimmst den rechten Arm nach oben und machst eine Wendung nach rechts.“
„Verrückt! Und das Handgelenk ist immer noch nicht gebrochen!“, jauchzt die Frau.
Und damit das so bleibt, beschließt Frau Reitlehrerin, mit diesem Erfolgserlebnis für heute aufzuhören. „Morgen üben wir die Wendung nach innen.“
Die anspruchsvolle Variante, die Frau erinnert sich. Und fühlt sich ganz schön verwegen.
Ich persönlich könnte mir noch stundenlang angucken, wie sie mit dem langen Stock herumläuft, aber man soll ja bekanntlich aufhören, wenns am Schönsten ist 😛
Bild: Dummie mit Garrocha
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