„Kommunikation ist doch was wunderbares“, sinniert die sogenannte Besitzerin. „Wäre es nicht toll, wenn ich mit dem Pfridolin kommunizieren könnte?“
„Tust du doch, du redest doch die ganze Zeit mit ihm“, erwidert der Mann.
„Nein, in seiner Sprache.“
„Machst du doch, mit Körpersprache.“
„Das sind doch nur Kunststückchen“, winkt die Frau ab.
Ich glaube, sie hat das Konzept von Bodenarbeit noch nicht verstanden. Und viele andere Dinge auch nicht, wenn ich mir so ihre körpersprachlichen Botschaften angucke. Zum Glück gibt’s was dagegen, und zwar das neue Buch von Tierfilmer Marc Lubetzki.
Aber hier erstmal die Eckdaten:
Im Gespräch mit wilden Pferden: Natürlich kommunizieren – die Koniks machen es uns vor
Marc Lubetzki
Verlag: Kosmos
176 Seiten mit vielen Fotos/ 30,00 EUR *
Marc hat wild lebende Koniks an der Ostsee studiert und ist in ihre Herden aufgenommen worden. Wobei: So ganz richtig wild sind die Koniks nicht, die erste Gruppe wurde vor zwanzig Jahren in der Geltinger Birk ausgewildert und ihre Vorfahren leben seit den 1980er Jahren frei in niederländischen Naturschutzgebieten. Zurzeit sind es um die fünfzig Koniks, die in mehreren Herden leben und sich bei Bedarf zu einem großen Herdenverband zusammenschließen. Wie genau das funktioniert und vor allem, wie die Kommunikation aussieht, um so eine Herde oder einen Herdenzusammenschluss zu organisieren, das beobachtet Marc seit Jahren und erklärt es uns in diesem Buch. Das Buch heißt Im Gespräch mit wilden Pferden, aber gleichzeitig ist Marc im Gespräch mit einem Freund, dem er die Feinheiten der Körpersprache und des Herdenlebens erklärt. Das wirkt oft bemüht, ist aber hilfreich, um zu verstehen, wie man sich zuhause besser mit seinem Pferd verständigen kann. Das findet auch die sogenannte Besitzerin, die schon das ein oder andere Missverständnis aufgeklärt hat. So ist es zum Beispiel in Pferdekreisen nicht üblich, sich gegenseitig den Kopf oder die Nase zu streicheln. Das ist vielmehr eine handfeste Spielaufforderung, wo dann hinterher das Erstaunen groß ist, wenn unsereiner darauf eingeht und zurückspielt 😛
Vom Aufbau her ist das Buch gut strukturiert. Es geht los mit dem Abschnitt Far Away – bitte nicht stören, in dem wir die Herde aus der Entfernung beobachten und erstmal in der Natur ankommen. Danach kommt In Touch – Kontakt aufnehmen, in dem sich mehrere Kapitel damit beschäftigen, wie man für sich die richtige Herde findet, der man sich anschließen kann und wie man es schafft, in diese Herde eingeladen zu werden. Denn einfach so kommt man da nicht rein, das geht nur mit Einladung vom Herdenchef. Und wenn man es endlich geschafft hat und dazugehört, muss man natürlich auch wissen, worauf es jetzt ankommt – Herdenmitglied sein ist ja nicht selbsterklärend, zumindest nicht für die sogenannte Besitzerin. Die kann das aber im Abschnitt Inside – Teil der Herde werden mit sechzehn Kapiteln lernen. Und das wird sie auch, denn Marc erklärt sehr gut. Eigentlich wie ein Herdenhengst. Wie sich herausstellt, ist er das irgendwie auch, weil er Aufgaben in der Herde übernimmt. Auch darüber gibt es einen Abschnitt, namens Great Job – Aufgaben erledigen. Die Steigerung wartet aber im darauffolgenden Teil: Leader-Verantwortung tragen. Den liest die Frau mit feuerroten Bäckchen und brennt nun darauf, ihr neu erworbenes Wissen anzuwenden. Sie hat nämlich erfahren, wie ein Leithengst einen ganzen Herdenverband führt und das will sie jetzt auch. Ich kann ja hier nicht alles verraten, aber man muss dafür schon so ein, zwei Voraussetzungen mitbringen. Dann ist es eigentlich ganz einfach. Wie die meisten Dinge im Leben 😉
Pro: Sehr viel Wissen, sehr viele Fotos und sehr genaue Beobachtungen und Schilderungen des Lebens in einer Pferdeherde, inklusive detaillierter Anleitung für die körpersprachliche Kommunikation.
Contra: Die Dialoge mit dem Freund, der als Erklär-Vehikel dient. Die haben eine Funktion, ja, aber ohne hätte ich es schöner gefunden.
Fazit: Der kleine Bruder von Im Kreis der Herde, was mir ehrlich gesagt viel besser gefallen hat. 4 von 5 Sternen.
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