Wir haben Besuch! Mit Besuch meine ich ausnahmsweise nicht Frau Reitlehrerin oder irgendwelchen Anhang von der Frau oder dem Mann, sondern quasi Staatsbesuch. Von der berühmten Frau Reichundschön und ihrer noch schöneren Tochter Felisha-Ocean. Frau Reichundschöns Mann ist unfassbar reich und kauft ihr und Felisha-Ocean permanent Pferde, was ein netter Zug von ihm ist.
Familie Reichundschön ist auf Stallsuche, erfahren wir, denn die Damen gesellen sich leutselig unters Volk und sprechen auch mit so langweiligen Normalos wie der sogenannten Besitzerin. Wobei die eigentlich alles andere als normal ist, aber hier geht’s grade nicht um geistige Gesundheit. Finanziell spielt sie auf jeden Fall in einer ganz anderen Liga. Kreisklasse vs Bundesliga, würde ich vermuten.
Die sogenannte Besitzerin und alle anderen Neugierigen (denn in einem Reitstall ist man nie allein) erfahren, dass Frau Reichundschön gern mit ihren Sportpferden zu uns auf den Hof ziehen würde, weil es da so schön ist. Und nicht weit bis zu dem ärmlichen Landhaus, in dem man sich oft aufhält. Und weil sie sonst keinen findet, der außer den zwei Wallachen und der Stute noch den Hengst und das Shetty nimmt.
Die Frau ist hin und weg. „Die ist ja so nett. Und kann bestimmt toll reiten“, flüstert sie dem Mann ins Ohr, um dann wieder hingerissen Frau Reichundschön und ihre Tochter anzustrahlen.
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„Hengste haben ja eine ganz andere Ausstrahlung als Wallache“, schwärmt die gerade. „Der Caletto ist auch so brav. Ganz tolle Abstammung, rein Springen gezogen. Und so brav. So lange der so brav ist, darf er auch Hengst bleiben.“ Momentan wären der Caletto und sein Shettyfreund leider in einem abgelegenen Stalltrakt untergebracht, aber sie möchte doch gern all ihre Lieben beisammen haben. Nur gestaltet sich die Stallsuche schwierig, weil sich nicht jeder Stallbesitzer darum reißt, einen Hengst bei sich – möglicherweise noch in der Nachbarschaft von Stuten – unterzubringen. „Und beim Mowgli sind die Leute so herzlos, das kann man sich gar nicht vorstellen.“ Mowgli ist das Shetty. Auf die Frage nach dessen Geschlecht erhält Frau Stallbesitzerin, die sich mittlerweile dazugesellt hat, die Antwort. „Hengst natürlich!“ Natürlich. Warum hat sie auch gefragt.
Frau Reichundschön erfährt, dass die Wallache und die Stute sehr gern bei uns einziehen können, auf Hengsthaltung wäre man aber nicht eingerichtet. Wieso das denn, begehrt Frau Reichundschön auf. Die Zäune seien nicht hengstsicher, ist die Antwort. „Aber der ist doch so lieb, der Caletto. Und spielt so schön mit dem Mowgli-Shetty.“ Im weiteren Verlauf des Gesprächs stellt sich heraus, dass Frau Reichundschön eine Nein-Schwäche hat. Das Wort wird einfach ausgeblendet.
Frau Stallbesitzerin versucht es argumentativ: „Mag ja alles sein, aber hier im Stall gibt es auch Stuten. Sie selbst bringen auch eine mit. Und wenn man die Pferde nun, wie geplant, nebeneinander in Paddockboxen stellt, wird das auch im bravsten Hengst die Hormone wachkitzeln.“
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Wobei das Shetty ja eigentlich keine Box braucht, das läuft bequem unter der untersten Stange der Umzäunung durch. Ganz zu schweigen von den Weiden, da braucht man einen Zaunbauer mit der Zusatzqualifikation Fort Knox 😛
Frau Reichundschön hat gar nicht zugehört, sondern währenddessen Selfies gemacht. Jetzt beteiligt sie sich wieder am Gespräch: „Es ist wirklich komisch, aber wir finden einfach keinen Stall für die beiden.“ Sie zeigt Fotos auf ihrem Handy, auf denen man einen Junghengst und ein Shetty sieht, geschmackvoll, professionell und teuer in Szene gesetzt. Zusätzliches Schmankerl, wie sich nun herausstellt: Der Hengst ist erst zwei. Und gehört von Rechts wegen zum Hengstaufzüchter und nicht in eine Box im Reitstall.
Frau Stallbesitzerin schüttelt sich und formuliert diplomatisch eine Absage, die Frau Reichundschön lässig ignoriert. Stattdessen wirft sie in den Raum: „Und deshalb habe ich mir überlegt, Ihren Stall zu pachten. Oder eine Stallgasse, das entscheide ich spontan. Und dann mache ich alles so, wie ich das will.“
Frau Stallbesitzerin lehnt ab und schlägt vor: „Dann kaufen Sie sich doch ihre eigene Reitanlage, da können Sie dann machen, was Sie wollen!“
Darauf Frau Reichundschön: „Ah, Sie wollen lieber verkaufen!“
Frau Stallbesitzerin, mittlerweile entnervt: „Nein, das will ich nicht.“
Das war anscheinend auch wieder die falsche Antwort. Beleidigt zitiert Frau Reichundschön ihren Nachwuchs zu sich: „Komm, Felisha-Ocean, die Leute hier sind eine Zumutung!“ und rauscht in ihrem pinken Porsche ab.
„Schönes Auto“, sagt die Frau traurig. Und zum Mann: „Warum kaufst DU mir eigentlich keinen Stall?“ Und da weiß ich jetzt auch nicht, von wem sie das hat 😛
Bild: Kein Hengst. Auch kein Shetty. Nur ein spanisches Mähnenwunder im Nebel.
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