Neulich im Reitunterricht: Die sogenannte Besitzerin sitzt auf mir rum. Ihre Beine sind lang und locker, der Rücken gerade (kein Hohlkreuz!), der Unterkiefer ist entspannt (ihrer und meiner). Sogar an das Daumendach auf den weichen Zügelfäusten hat sie gedacht. Außerdem ist ihre Gehirnaktivität ungefähr bei null, was ich sehr angenehm finde. Dann werde ich wach und setze mich in Bewegung, weil ich Frau Reitlehrerin sehe und sie begrüßen will.
Da bricht dann bei der Frau sitztechnisch alles zusammen. Aber wofür haben wir unsere one and only Frau Reitlehrerin, die gebetsmühlenartig, aber stets gutgelaunt die körperlichen Baustellen der Frau korrigiert? Denn man braucht viele, viele Wiederholungen, um neue Bewegungsmuster zu verinnerlichen. Also am besten direkt richtig lernen, aber wer hat schon so viel Glück? Mit anderen Worten: Bei uns wird sie nie arbeitslos.
Überhaupt dieses Reiten – an was man da alles denken muss! Der Frau faltet sich das Gehirn zusammen. Beim Anreiten einatmen und aufrichten – check. Geradeaus geht‘s grad noch. Dann kommt die erste Ecke. In die Wendung drehen – check. Die Sitzbeinhöcker wandern mit. Die Beine sind lang und locker. Zumindest theoretisch. Mit mahlendem Unterkiefer geht es weiter. Auch die schön harmonische Atmung geht flöten. Und wir sind immer noch im Schritt. Huch, da ist schon die nächste Ecke. Sitzbeinhöcker. Daumendach. Lang und locker. Die Frau verzichtet großzügig auf den nächsten Atemzug und zuppelt am Zügel. Interessiert gucke ich in der Gegend herum.
„Atme in deine Mitte und umfasse den Pfridolin mit deinen Beinen“, teilt Frau Reitlehrerin mit.
„Was ist eigentlich diese fucking Körpermitte?“, erkundigt sich die Frau gereizt.
„Dein Bauch“, übersetzt Frau Reitlehrerin. „Atme nicht in deine Brust hinein, sondern in deinen Bauch.“
„Dann sag das doch“, beschwert sich die Frau.
Kommunikation ist was Wunderbares, denke ich.
Knick in der Optik oder was?
Nach kurzer Überlegung fügt meine Reiterin hinzu: „Da sieht man aber dick aus. Ich zieh den Bauch lieber ein.“
Du siehst nicht nur dick aus, du bist es. Da ändert auch deine Atmung nix dran, du kleiner Pummel, denke ich mir.
Aber die Frau ist noch nicht fertig. „Beim Reiten geht es nämlich um die Optik“, erklärt sie Frau Reitlehrerin, die gerade nicht weiß, ob sie lachen oder weinen soll. Die Leute auf den teuren Pferden, deren Videos sie sich so gern anschaut, sitzen nämlich auch im Hohlkreuz, jawohl. Und sehen dabei schlank und elegant aus.
„Die haben aber auch eine Sitzprothese statt eines Sattels und halten sich an den Zügeln fest. Das siehst du an den angespannten Armen“, entgegnet Frau Reitlehrerin ungerührt.
„Ich seh das nicht“, mault die Frau.
„Wenn du dir die Videos mal in Zeitlupe anschaust, siehst du, wie die in den Zügeln hängen und wie die Maulwinkel nach hinten gezogen werden“, erklärt Frau Reitlehrerin.
Das ist aber jetzt ganz schön viel Input, und noch dazu von der falschen Sorte. Die Frau beschwert sich: „Du hast mir ins Atmen gequatscht! Jetzt kann ich mich nicht mehr konzentrieren!“
Woraufhin Frau Reitlehrern geduldig erklärt: „Durch die Nase einatmen und durch den Mund ausatmen!“
„Super Idee“, meckert die Frau. „Das klappt doch eh nicht, mit den ganzen Ablenkungen hier. Und wo der Pfridolin doch so schrecklich viel Schwung hat!“ Sie funkelt Frau Reitlehrerin böse an.
Aber die ist unerschütterlich: „Atme durch deinen ganzen Körper und konzentriere dich nur darauf. Finde heraus, was für dich am besten passt – oft hilft es, wenn man innerlich zählt. Zum Beispiel beim Einatmen 1, 2, beim Ausatmen 3,4.“
„Wenn du meinst“, zickt die Frau. Auf Frau Reitlehrerins drängenden Blick hin entschließt sie sich aber, zu kooperieren. Schon nach kurzer Zeit schnauft sie hingebungsvoll.
Die anerkannte Dressurexpertin
„Gut so! Locker mitschwingen und atmen. Mit dem Hintern denken und nicht mit dem Kopf. Und dabei einen ganz feinen Kontakt zum Pferdemaul haben, also Anlehnung gleich Zügelgewicht.“
„Eijeijei. Und dann wird das was?“, fragt die Frau zweifelnd.
„Dann IST das was. Feines, korrektes Reiten nämlich. Und das sieht halt nicht spektakulär aus. Das spektakuläre sind Spanntritte, Pferdeköpfe, die hinter die Senkrechte gezogen werden, Pferde, die strampeln und sich im Rücken festhalten. Keine Spur von Losgelassenheit.“
„Ja aber wenn die Pferde richtig arbeiten und was leisten müssen, gehört doch Spannung dazu!“, erklärt die Frau als anerkannte Dressurexpertin.
„Körperspannung gehört dazu. Keine Anspannung. Anspannung ist immer falsch, weil sie das Gegenteil von Losgelassenheit ist. Und die ist die Voraussetzung für jegliche weitere Ausbildung des Pferdes.“
Und darüber muss die Frau erstmal nachdenken, während sie weiter vor sich hin atmet. Irgendwann stellt sich ein erkennbares Muster ein und sie schnauft wie eine kleine Dampflok. Geradezu peinlich ist das, denn leise sein war ja noch nie ihres. Das hört sich dann an wie NNNHHH-NNNNHHHH-HUUUU-HUUU. Ein ein aus aus. Darth Vader ist ein Nichts gegen sie. NNNHHH-NNNNHHHH-HUUUU-HUUU. NNNHHH-NNNNHHHH-HUUUU-HUUU.
Außer mir macht das keiner, fällt ihr irgendwann auf. Sie teilt Ihre Beobachtung Frau Reitlehrerin umgehend mit. „Und du bist sicher, dass das so richtig ist?“
„Ist dir schon aufgefallen, dass du den Pfridolin prima sitzen kannst und gerade nichts in der Hand hast?“, lächelt die.
Hmpf, macht die Frau und trabt weiter. NNNHHH-NNNNH-HUUUUU-HUUUU. Aber schön locker ist sie dabei 😉
Bildunterschrift:
Kann nur atmen, wenn sie sich konzentriert: die Frau
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