„Du hast immer Glück, deine Pferde sind brav“, sagt die sogenannte Besitzerin zu Frau Reitlehrerin, während sie neiderfüllt beobachtet, wie deren Heinzi unangebunden am Putzplatz steht und nicht im Traum daran denkt, einen Fuß zur Seite zu setzen oder sich gar auf die Suche nach Gras zu machen.
Im Gegensatz zu mir. Heinzi ist eine arme Wurst, der weiß gar nicht, was ihm alles entgeht.
„Das hat auch ein bisschen mit Erziehung zu tun“, erwidert Frau Reitlehrerin, aber die Frau kann gerade nicht zuhören, weil sie parallel zum Putzen im Internet nach Verkaufspferden guckt. Ich versuche währenddessen, meinen Anbindeknoten zu lösen.
„Meine Pferde sind immer soooo schwierig und frech. Ich hab wohl ein Händchen dafür, mir immer die mit dem komplizierten Charakter auszusuchen“, erklärt sie, während sie zwischendurch aufs Smartphone starrt. „Zum Beispiel sieht es der Pfridolin immer noch nicht ein, dass ich seine Chefin bin. Und der Lutschi ist so wild. Manchmal denke ich, dass er nie aus der Pubertät rauskommt. Und da hab ich mir überlegt, dass ich mir einfach ein neues Pferd kaufe und dass du es mir aussuchst. Weil du ja immer die braven Pferde findest. Guck mal, ist der nicht süüüß?“
Frau Reitlehrerin weiß gerade nicht, ob sie lachen oder weinen soll. Sie entscheidet sich für ein diplomatisches Lächeln und begutachtet die Verkaufsanzeige, die ihr die Frau auf dem entgegengereckten Handy präsentiert. „Ausbildungsstand: Roh“, liest sie vor. Ich habe den Knoten inzwischen auf, bleibe aber noch stehen, weil ich neugierig bin. Außerdem ist die freudige Überraschung umso größer, wenn ich zu einem späteren Zeitpunkt auf Wanderschaft gehe. Wenn die sogenannte Besitzerin mal eben um die Ecke verschwindet, zum Beispiel.
„Ja, dann können wir zusammen lernen, das verbindet“, schwärmt die Frau.
„Zum Beispiel, wie man Hufe gibt und sich am Halfter führen lässt“, kommentiert Frau Reitlehrerin.
„Ach, das kennt der auch noch nicht?“, staunt die Frau. Roh heißt: Der kennt noch gar nix, aber mich fragt hier ja keiner. Weil die Möchtegern-Chefin das überlegene Gehirn hat. Finde den Fehler.
„Ich dachte eigentlich, wir fangen direkt mit Bodenarbeit an.“ Träum weiter. Und viel Spaß beim Einfangen und Verladen.
„Vielleicht solltest du erstmal den Verkäufer fragen, was das Pferd alles kennt und was nicht“, schlägt Frau Reitlehrerin vor, aber die Frau hat schon das Interesse verloren und das Jammern begonnen. „So frech ist der Pfridolin. Der rempelt mich beim Führen an und überholt mich. Ganz schlimm. Und der Lutschi auch! Wobei es bei dem natürlich das südländische Temperament ist, was da durchbricht. Aber immer hab ich die komplizierten Pferde, das ist doch furchtbar.“
Wir erinnern uns: Der Lutschi alias Lucero ist das spanische Mähnenwunder mit dem Gemüt einer Schlaftablette und dem Bewegungsdrang einer Schildkröte.
„Natürlich“, nickt Frau Reitlehrerin und bemüht sich, ernst zu bleiben.
Ich finde, jetzt ist ein guter Zeitpunkt zu gehen.
„So frech ist der Pfridolin“, wiederholt die Frau erschüttert, während sie hinter mir herhastet. „So frech.“
Streber-Heinzi steht immer noch wie angewurzelt und freut sich, dass ihn Frau Reitlehrerin anlächelt. Die Frau füttert mich mit Leckerli und manövriert mich wieder zurück zum Putzplatz.
Der Lutschi, der in der Box auf seinen Einsatz wartet, hat inzwischen auch mitgekriegt, dass es draußen lustiger ist als drinnen. Er bollert gegen die Tür. „Südländisches Temperament“, murmelt die Frau und ihre Gesichtszüge werden weich. „Du armer Schatz hast Hunger, gell?“ Sie füttert ihn mit Keksen. Dann fällt ihr Blick wieder auf mich. „So frech“, murmelt sie.
Frau Reitlehrerin und ich ziehen die Augenbrauen hoch. Kekse fürs Randalieren? Kann ich auch. Versuchsweise scharre ich mit dem Huf, so dass die Putzkiste der Frau fliegen geht. „Siehst du, was ich meine? Und sag ehrlich: Ist das nicht ein komischer Zufall, dass alle meine Pferde so frech sind?“
Frau Reitlehrerin erklärt behutsam, dass das durchaus kein Zufall ist. Wenn man ein noch so braves Pferd kauft und sich inkonsequent verhält, tut es genau das, was der Lutschi und ich tun. Und wenn es für Fehlverhalten Futterlob gibt, verstärkt man das Verhalten noch.
Die Frau nickt nachdenklich.
„Ich glaube, vor einem erneuten Pferdekauf musst du dein Erziehungskonzept nochmal überdenken“, schlägt Frau Reitlehrerin vor.
Schritte auf der Stallgasse. Der Mann kommt!
„Pscht pscht pscht! Kein Wort zu ihm!“, zischt die Frau.
Ich weiß nicht, wie ich darauf komme, aber ich glaube, der angedachte Pferdekauf ist noch nicht mehrheitsfähig.
„Was denn?“, fragt er, als er die Frau mit ungewohnt nachdenklichem Blick sieht.
„Ich überdenke mein Erziehungskonzept.“
Fragend zieht er die Augenbrauen hoch.
„Ich kann aber noch nix verraten, weil ich noch ganz am Anfang bin.“
„Ah“, macht der Mann und gibt mir gutgelaunt ein Leckerli fürs Nichtstun. Einfach nur, weil es mich gibt. Muss auch mal sein 😉
Bild: Das spanische Mähnenwunder mit Siesta-Blick
Dieser Beitrag entstand dank eines Sponsors. Vielen Dank dafür!
* = Das ist ein Affiliate Link. Wenn ihr hierdrauf klickt und etwas kauft, kostet es euch nicht mehr, aber ich bekomme ein paar Cent für Möhren. Was toll wäre ❤