Die sogenannte Besitzerin will ja Distanzreiterin werden, aber heimlich. Wie genau das ablaufen soll, bleibt vorerst ihr Geheimnis. Ihr hat aber gedämmert, dass es aus organisatorischen und anderen Gründen günstig wäre, erstmal eine Reitbeteiligung für mich und/oder den Lutschi zu finden. Wer ihn nicht kennt: Der Lutschi ist unser spanisches Mähnenwunder und benötigt seine Gehirnzellen ausnahmslos für das Mähnenwachstum. Nutzt ihm aber nix, er ist jetzt auch in Ebay Kleinanzeigen.
Wie man sich da fühlt – erst ist man das Augäpfelchen und dann wird man auf dem Sklavenmarkt feilgeboten, damit irgend so ein feiner Herr Araber bei uns einziehen und mit der Frau durchs Gelände knattern kann. Wie viele von den Beruhigungskräutern aus der Futterkammer will die eigentlich noch essen? Und wer hätte gedacht, dass ihr aktuelles Lebensziel nicht Dressurqueen und Piaffe ist, sondern verwegene Distanzreiterin und Knallgas? Andererseits ändert die Frau spätestens alle fünf Minuten ihre Meinung, von daher bleibt es spannend. Aber im Moment sind der Lutschi und ich auf besagtem Sklavenmarkt und es kommen fremde Leute, um uns kennenzulernen.
Nicht viele allerdings, die meisten hat die Suchanzeige der Frau eher abgeschreckt als angelockt. Zumindest vermute ich das, denn das aktuelle Exemplar, das mich besichtigen darf und somit die ersten beiden Prüfungen bestanden hat, flüstert mir zu: „Soooo schwierig siehst du doch gar nicht aus.“ Bin ich auch nicht, aber meine sogenannte Besitzerin hat halt wenig Plan, gell.
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Im Gegensatz zu Hannah, die nett und gefühlvoll mit mir umgeht. Bestimmt vertragen wir uns gut. Was mir auch gut an ihr gefällt: Sie behandelt mich wie ein intelligentes Wesen. Und das beste: sie hat die Taschen voller Leckerli! Ich verfalle kurzfristig in Ekstase. Das ist auch der sogenannten Besitzerin aufgefallen, denn sie nickt huldvoll. Zum Zeichen, dass Hannah zum Fremdreitertest zugelassen ist.
Also wird geputzt und dann gesattelt. Hannah findet beim Putzen auch gleich die Stellen, wo es doll juckt und wo es mir unangenehm ist. Wegen mir kann die bleiben, da tausche ich die Frau gern gegen ein 😛
Auch beim Reiten stellt sie sich geschickt an. Die sogenannte Besitzerin steht währenddessen in der Mitte und fühlt sich wichtig, weil sie ja Reitunterricht gibt. „Wenn ihn jemand das erste Mal reitet, will er alles richtig machen. Das lässt aber später nach“, blökt sie. Sehr charmant, oder? Ich finde das rufschädigend.
Hannah lächelt freundlich und wir machen ein bisschen Stretching im Schritt und Trab. Dabei finden wir heraus, dass wir uns gut verstehen. „So schön geht er bei dir nicht, oder?“, flüstert der Mann, der sich dazugesellt hat, der sogenannten Besitzerin ins Ohr. Und zack, sowas von schlechte Laune 😛
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Was die Frau aber nicht zugeben will. „Perfekt ist sie nicht, da kann man schon noch an einigem feilen“, wehrt sie ab. Welche Schmach, wenn die angehende Reitbeteiligung besser reitet als die Dressurqueen! Andererseits, überlegt die Frau weiter, wird sie jetzt Endurance-Profi, mit Knallgas über fünfzig Kilometer. Für das geplante arabische Seelenpferd muss man auch Opfer bringen, findet sie und fühlt sich heldinnenhaft. Denn sie weiß genau: Sheikh Habibi wartet auf sie, und das ganz große Abenteuer gleich mit.
Der Lutschi und ich haben uns jetzt an das Leben auf dem Sklavenmarkt gewöhnt. Ich finde Hannah sehr nett, und der Lutschi soll erstmal schwerpunktmäßig vom Mann bespaßt werden. Der ist ja auch irgendwie erziehungsberechtigt, finde ich. Also soweit alles entspannt. Umso größer ist mein Entsetzen, als die Frau am nächsten Tag doch wieder mit Dressursattel auf der Matte steht und Lektionen reiten will. Hallo?! Ich bin Freizeitpferd, ich DARF gar nicht arbeiten!
Zum Glück kommt Frau Reitlehrerin dazu und bewahrt mich vor dem Schlimmsten. Und nach und nach und mit viel Mimimi rückt die Frau auch mit der Geschichte heraus, warum sie jetzt doch keine Distanzreiterin werden will. Sheikh Habibi hat sie zur Begrüßung in den Finger gezwickt und sich ansonsten auch sehr unseelenpferdehaft verhalten, vor allem beim Reiten. Und vor allem im Galopp, der sehr schnell geriet. Sehr, sehr schnell. Und die Bremse hat auch nicht so gut funktioniert. „Le-bens-ge-fährlich“, sagt die Frau und erbleicht, als sie die besonders schrecklichen Momente des Probereitens vor ihrem inneren Auge wiedererlebt. Dann schüttelt sie sich kurz und sagt: „Ich habe mir überlegt, dass ich doch lieber Dressurreiterin bleibe, das kann ich wenigstens.“ Brüllendes Gelächter.
Frau Reitlehrerin nickt diplomatisch. „Beim Pfridolin weißt du wenigstens, was du hast. Und beim Lutschi auch.“
Die Frau nickt und lächelt süßsäuerlich.
„Und du weißt ja: Dein Traumpferd ist das Produkt deiner Ausbildung, das bildest du dir über die Jahre selbst aus.“
Die Frau seufzt abgrundtief. „Ja eben, das ist ja das Problem“, antwortet sie leise.
Aber Frau Reitlehrerin hat einen Master in Diplomatie und allgemeiner Nettigkeit und ergänzt: „Und wenn du mal überlegst, was ihr alles schon geschafft habt, dann ist das doch ganz ordentlich. Je weiter man kommt, desto mehr merkt man, was man alles noch lernen muss. Reiten lernen ist ein lebenslanger Prozess.“
Amen, denke ich.
Und dann seufzt die Frau nochmal und die Reitstunde geht weiter. Sehr angenehm, wenn die mal nicht so auf Krawall gebürstet ist. Hoffentlich hält das an.
Bild: Neulich auf dem Sklavenmarkt.
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