„Guck mal, ich war einkaufen. Und da hab ich dieses tooootal praktische Teil gekauft“ strahlt die Frau, meine sogenannte Besitzerin. „Für wenn’s mal schnell gehen muss.“ Natürlich spricht sie nicht mit mir, sondern mit Hansis Besitzerin, deren Pferd ein paar Boxen weiter wohnt. Ich ahne Schlimmes und versuche, in die mitgebrachte Tüte zu linsen.
„Zeig mal her“, interessiert sich Frau Hansi, die Western reitet und von der sogenannten Besitzerin glühend darum beneidet wird, dass ihr Pferd gehirntot gehorsemanshipped wurde und alles mit sich machen lässt. So brav! Und dieses Western-Zubehör sieht so wunderschön und cool aus! Aber egal, wir wollen jetzt wissen, was in der Tüte ist, die die Frau so geheimnisvoll mit sich herumschleppt.
„Eine Longierhilfe!“ Die sogenannte Besitzerin holt ein Seil mit zwei Karabinerhaken heraus. „Das kommt so quer über den Rücken, dann führt man die Seile zwischen den Vorderbeinen durch und macht die Karabiner in die Trensenringe.“
„Ich binde den Hansi immer direkt an den Zügeln aus. Die knote ich auch vorne runter zwischen den Vorderbeinen durch in den Sattelgurt“, zeigt sich Frau Hansi wenig beeindruckt.
Aber das tut ihm vielleicht weh, überlegt die sogenannte Besitzerin. Und so ganz eigentlich hat sie auch schon oft gesehen, dass der Hansi bei dieser Ausbindemethode im Trab rhythmisch rechts-links einen ordentlichen Ruck ins Maul kriegt.
„Das ist doch gut, da kann er ruhig noch weiter nachgeben“, zeigt sich Frau Hansi unempathisch.
„Aber dann geht er doch komplett hinter dem Zügel?!“
„Hauptsache, er gibt nach und die Rübe ist unten“, ist die Antwort. Ja dann.
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Zum Glück hat sie selbst ja etwas viel pferdefreundlicheres, nämlich besagte Longierhilfe. Die wird zwar auch in den Trensenringen eingeklipst, besteht aber aus sehr wenig Material, was bestimmt was Gutes ist. Und schließlich hat sie so eine Longierhilfe schon an ganz vielen Pferden gesehen, das ist also ganz normales und bewährtes Zubehör. Fröhlich macht sie sich ans Werk, mich mit dem Dingens zu verschnüren. Wie so oft bei uns, ist die gute Laune sehr einseitig verteilt.
Bis zum Glück Frau Reitlehrerin auf der Stallgasse erscheint, deren geheime Superkraft es ist, überall dort aufzutauchen, wo etwas Spannendes passiert.
„Guck mal“, zeigt die sogenannte Besitzerin stolz. „Eine Longierhilfe!“
„Das sehe ich.“ Frau Reitlehrerin guckt skeptisch und gibt zu bedenken, dass die Seilchen zwischen den Beinen scheuern können. „Außerdem produziert die Konstruktion bei jeder Bewegung der Vorderbeine einen Ruck im Pferdemaul.“
Die anfängliche Begeisterung der Frau schwindet dahin wie Mash in meiner Futterschüssel.
Frau Reitlehrerin lächelt ein einfühlsames Reitlehrerinnenlächeln und erklärt: „Ein weiterer, gravierender Nachteil dieser ganzen Longierhilfsmittel ist die Tatsache, dass Pferdekopf und -hals in eine bestimmte Haltung gezwungen werden. Dein Pferd bekommt jedes Mal einen Ruck ins Maul, wenn es die vorgegebene Position verlässt. Wir möchten ja mit feinen Hilfen reiten, da macht es keinen Sinn, den Pfridolin im Maul abzustumpfen. Ganz abgesehen davon, dass das Schmerzen verursacht. Außerdem ist der Hals die Balancierstange des Pferdes, es benötigt ihn also, um sein Gleichgewicht zu finden. Wenn man ihm diese Möglichkeit nimmt und Kopf und Hals so fixiert, dass das Ausbalancieren nur unter Schmerzen möglich ist, ist das meiner Meinung nach unanständig. Außerdem – wie würdest du dich fühlen, wenn man dir beim Laufen den Kopf so festbindet, dass du ihn nicht bewegen kannst? Kein tolles Gefühl, oder?“
Die Frau schüttelt den Kopf.
Frau Reitlehrerin spricht weiter: „Zudem möchten wir ja, dass der Pfridolin und der Lutschi in Selbsthaltung laufen. Das erreichen wir nicht, indem wir sie verschnüren und ihren Kopf und Hals auf eine bestimmte Art festbinden.“
„Nein?“
„Nein, das erreichen wir zum Beispiel durch Longieren am Kappzaum. Jedes Mal, wenn sich der Pfridolin damit nach unten abstreckt, lobst du ihn, damit er weiß, was du willst und sich entspannt. Und im weiteren Verlauf wirst du feststellen, dass der Pfridolin vermehrt untertritt, sich an den Kappzaum herandehnt und im Hals rundet. Und von da ist es nur noch ein kleiner Schritt zu Tempounterschieden, sprich: zulegen und abfangen, wo du dann feststellen wirst, dass sich dein Pferd beim Zurückführen des Tempos vermehrt aufnimmt und aufrichtet und wir von beginnender Versammlung sprechen können.“
Versammlung! Sie hat Versammlung gesagt!, freut sich die sogenannte Besitzerin. Und wird schnell wieder auf den Boden der Tatsachen geholt, als sich Frau Reitlehrerin daran erinnert, dass die sogenannte Besitzerin sogar mal ein Buch über das Longieren am Kappzaum gelesen hat. Da kann sie sich nur noch schwach dran erinnern, tut ihr furchtbar leid. Aber das Angebot für eine Stunde Longierunterricht nimmt sie doch gern an.
Bild: Longe. Nicht im Bild: die praktische Longierhilfe. Ein Glück.
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