Neulich im Reitunterricht: „Das Bein ist lang und locker“, formuliert Frau Reitlehrerin einfach mal so, als Zielvorgabe.
Natürlich ist das Bein alles andere als lang und locker, aber die Frau, meine sogenannte Besitzerin, denkt nicht daran, irgendwas daran zu ändern. Stattdessen presst sie die Oberschenkel womöglich noch fester an den Sattel. Die Absätze weiter hochziehen ist anatomisch unmöglich.
„Lass deine Beine einfach locker herabhängen“, versucht es Frau Reitlehrerin weiter.
„Tu ich doch. Die hängen ganz entspannt“, lügt die Frau.
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Frau Reitlehrerin lässt uns durchparieren und neben ihr stehenbleiben. Das mag ich ja so gern im Reitunterricht. Neben Frau Reitlehrerin rumstehen, während die was erklärt, und dabei gekrault werden.
Frau Reitlehrerin wackelt versuchsweise am Bein der Frau, das wie festzementiert am Sattel klebt. Die Frau guckt komisch. Möglicherweise merkt jetzt auch sie, dass da ganz schön viel Spannung in ihren Oberschenkeln ist, obwohl es sich ihrer Ansicht nach genau richtig anfühlt. Frau Reitlehrerin wackelt weiter mit dem Bein, das allmählich lockerer wird. Während sie die Seite wechselt und das andere Bein meiner Reiterin bearbeitet, erklärt sie: „Reiten ist ein Balance-Akt. Wenn man es richtig macht, findet es allein aus dem Gleichgewicht und dem ausbalancierten Sitz heraus statt. Und nicht durch festklammern mit dem Bein, womit man sich den Sitz verdirbt. Ein weiterer Nachteil des Klemmens ist, dass es dem Pferd unangenehm ist, wenn du mit den Schenkeln so starken Druck ausübst.“
„Das habe ich aber nicht gemerkt. Meine Beine machen komische Dinge, einfach so“, versucht sich die Frau rauszureden. Frau Reitlehrerin lächelt und macht sich gedanklich Notizen.
Weiter geht’s. Die nächste Korrektur kommt. „Versuch, deinen Oberkörper senkrecht zu halten!“
„Tu ich doch“, ächzt die sogenannte Besitzerin.
„Nein, du lehnst dich nach hinten und bist ganz wunderbar im Stuhlsitz. Guck jetzt mal in den Spiegel“, fordert Frau Reitlehrerin.
Ups. „Es fühlt sich aber ganz richtig an“, versucht sich die Frau zu verteidigen.
„Das ist, weil du dich daran gewöhnt hast. Deshalb erscheint es dir normal und richtig. Das andere Phänomen, mit dem wir es zu tun haben, ist der Unterschied zwischen Eigenwahrnehmung und Fremdwahrnehmung“, erklärt Frau Reitlehrerin.
„Und was heißt das jetzt?“, will die Frau wissen.
„Du musst dein Gefühl schulen“, lächelt Frau Reitlehrerin. Und wir alle wissen, was das heißt: Turnstunde!!!
„Oh nein, wie peinlich. Da muss ich wieder so uncoole Übungen machen“, beschwert sich die Frau.
„Aber die sind für einen guten Zweck“, strahlt Frau Reitlehrerin. „Nämlich, um dein Körpergefühl zu schulen. Deine Eigenwahrnehmung zu verbessern. Damit du dich selbstständig korrigieren kannst.“
So ähnlich wie Frau Reitlehrerin das wahrscheinlich macht, wenn sie selbst reitet. Hmmm. Die Frau denkt kurz nach und zeigt sich kooperativ.
Ich verfalle also in den Kirmespony-Modus und trotte im Schritt um Frau Reitlehrerin herum, während meine Reiterin allerlei Verrenkungen ausführt, die aber letztlich auch nicht mehr stören als ihr schlechter Sitz 😛
Zuerst soll sie auf ihren Sitzbeinen vorn und zurück kippeln, aber langsam und bewusst. Diese ominösen Sitzbeine sehen aus wie Schlittenkufen, und wenn man die Übung macht, bewegt sich der Oberkörper von weit nach hinten über eine senkrechte Position weiter nach vorn. Nachdem sie das mehrmals gemacht hat, soll sie daraus ihre Mitte finden, also die mittlere, aufgerichtete Position. Und sich das Gefühl merken!
Als nächstes kommt das allseits beliebte rückwärts Fahrradfahren, Frau Reitlehrerins Allheilmittel für fast alles, was mit den Beinen und der Hüfte zu tun hat. Zwischendurch gibt’s Pausen, in denen die Frau in ihren Körper hineinspüren kann und wobei sie Dinge fühlt, die sie sonst nicht fühlt. Losgelassenheit zum Beispiel.
Und dann geht’s weiter: „Öffne deine Knie und gib dem Pfridolin mehr Platz. Wenn du mit den Knien klemmst, klemmt auch die Hüfte.“
Das wird kurz im Experiment nachvollzogen und bestätigt. Also: Knie auf! Aber Frau Reitlehrerin ist noch nicht fertig: „Wenn du die Knie hochziehst – das merkst du zum Beispiel daran, dass dein Knie Kontakt zur Pausche hat – stellst du dir einfach vor, dass deine Beine ganz schwer sind. Als ob daran Gewichte hängen.“
Die Frau guckt skeptisch, bemüht aber brav ihre Vorstellungskraft. Und was soll ich euch sagen: Es wirkt. Das Bein ist tatsächlich lang und locker.
Verrückt, denkt die Frau.
„Und wenn du willst, habe ich noch mehr Übungen für dich“, lockt Frau Reitlehrerin, aber die Frau lehnt hastig ab, mit der Begründung, sie müsste erstmal die gerade geturnten Übungen verinnerlichen.
„Gute Idee“, lobt Frau Reitlehrerin. „Das ist jetzt deine neue Routine und du machst das ab sofort in jeder Reitstunde!“
Toll, und dann gucken wieder alle. Wie peinlich, denkt die Frau. Aber dann sehen auch alle, wie toll lang und locker mein Bein wird und dann sind sie neidisch. Ha.
Einmal Dressur-Queen, immer Dressur-Queen 😉
Bild: Einfach nur rumstehen – das wärs doch.
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