„Guck mal, Seitengänge!“, jauchzt die sogenannte Besitzerin, als wir auf dem Zirkel um Frau Reitlehrerin herum schrägeln. „Im Trab und im Galopp!“
„Fehlender äußerer Schenkel“, diagnostiziert Frau Reitlehrerin. „Du reitest ja auf dem Zirkel , um den Pfridolin zu biegen.“
Tue ich das? Ist der Frau zwar neu, aber sie nickt sicherheitshalber.
„Und da biegst du den Pfridolin um den inneren Schenkel.“
„Ganz genau“, strahlt die Frau.
„Und damit er mit der Hinterhand nicht ausweicht – was du für Seitengänge hältst -, benutzt du deinen äußeren Schenkel.“
„Aha.“ Und auf ihrer Stirn steht die Frage: Und was mache ich damit?
„Du legst ihn verwahrend zurück. Und immer, wenn die Hinterhand nach außen ausweichen möchte, übst du Druck aus. Nicht viel, nur als Erinnerung.“
„Verwahrend ist ein blödes Wort“, findet die Frau. „Verwahren, das heißt doch, dass man etwas aufbewahrt.“
„Oder gut darauf aufpasst“, findet Frau Reitlehrerin. „In diesem Fall passt der verwahrende äußere Schenkel auf die Hinterhand auf.“
„Ach so, ja. Und auf was genau passt der da auf?“, fragt die sogenannte Besitzerin, für die alles, was länger als fünf Sekunden zurückliegt, grauer Nebel ist.
„Dass die sich biegt und nicht ausweicht. Wie zum Beispiel gerade eben: du wolltest den Pfridolin biegen (fragt nicht – das fällt alles unter das Projekt Linksstellung und Linksbiegung und ist somit des Teufels) und er ist seitlich mit der Hinterhand ausgewichen . Für unser Projekt Geraderichtung brauchen wir aber die Biegung und somit auch den verwahrenden Schenkel.“
„Wir haben ein Projekt?“, fragt die Frau, die nicht gleichzeitig reiten und denken kann. Sicherheitshalber bleiben wir neben Frau Reitlehrerin stehen, damit die Frau – von jeglichen Reitbewegungen unbelastet- einfach nur zuhören kann.
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„Ja, und zwar wollen wir den Pfridolin geraderichten.“
Die Frau erinnert sich dunkel. Da war doch was, damals. Grauer Nebel, gell 😉
„Und dafür brauchen wir runde Zirkel auf der linken Hand.“
Runde Zirkel, linke Hand – mir stellen sich die Nackenhaare auf. Aber auf die sogenannte Besitzerin ist Verlass. „Firlefanz, ich will Seitengänge“, kräht sie. „Immer nur dieses doofe Geradeausreiten. Alle reiten Seitengänge. ALLE. Und ich will das auch.“
„Um die kümmern wir uns, wenn du den Pfridolin aus deinem Sitz heraus links biegen kannst. Für Seitengänge brauchst du ein gebogenes Pferd“, erklärt Frau Reitlehrerin mit großer Ruhe.
„Hmpf“, sagt die Frau. „Und für dieses aus dem Sitz reiten und biegen brauche ich den verwahrenden äußeren Schenkel?“
„So ist es. Du nimmst einen biegenden Sitz ein, indem du dir vorstellst, du hättest einen Strahler in deinem Bauchnabel, der die Zirkellinie ausleuchtet, und zwar bis zum nächsten Zirkelpunkt und wieder zum nächsten undsoweiter.“
Jetzt geht das wieder los mit den bescheuerten inneren Bildern, denkt die Frau, traut sich aber nicht zu widersprechen.
Frau Reitlehrerin spricht weiter: „Gleichzeitig stellst du dir vor, du hättest gar kein Pferd unter dir, sondern Beine, auf denen du die Zirkellinie abschreitest. Das innere Bein macht kleine Schritte, das äußere Bein größere.“
„Logisch, damit es ein Kreis wird“, findet die Frau, die inzwischen Gefallen an dem Spiel gefunden hat. „Und wo kommt jetzt der verwahrende Schenkel her?“
„Der ist eigentlich schon da. Durch dein inneres Bild sitzt du schon gut in der Wendung, und falls der Pfridolin doch mit der Hinterhand ausweichen will, übst du leichten Druck mit dem Schenkel aus, der dank deines inneren Bildes schon richtig liegt.“
„Ach“, staunt die Frau und ist erstmal sehr beschäftigt mit ihrem inneren Mentalaufbau. Aber auf wundersame Weise verbessert sich dabei ihr Sitz und wird – ich will jetzt nicht sagen funktional, aber doch deutlich besser. Und ganz aus Versehen und für uns alle überraschend laufe ich in einer schönen Linksbiegung.
„So ein schönes Pferd“, sagt Frau Reitlehrerin hingerissen.
„Bitte was?“
„Bild. So ein schönes Bild, sagte ich.“
Aber Frau Reitlehrerin und ich, wir beide wissen, wer wirklich gemeint ist.
Bild: Interessiert sich mehr für Frisuren als für äußere Schenkel
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Eine Antwort auf „Der verwahrende Schenkel, das unbekannte Wesen“
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