Ich weiß ja nicht, wie das bei euch so ist, aber die Frau, meine sogenannte Besitzerin, liebt den ersten Hufschlag. Man würde denken, sie liebt MICH, weil ich so ein ausgemachter Sonnenschein bin, der ihr trauriges Dasein erhellt, aber nein, sie liebt …. nicht mich, auch nicht das spanische Mähnenwunder, sondern den ersten Hufschlag. Immer schön außen rum und immer an der Wand lang. Und zwar so lange, bis sich eine Bob-Bahn gebildet hat, auf der ich auch mit verbundenen Augen problemlos die Spur halten könnte. Ich vermute, sie macht das aus religiösen Gründen, bin mir da aber nicht sicher. Was aber eigentlich ganz praktisch ist, weil mir beim Reiten öfter die Augen zufallen, denn sind wir mal ehrlich: wirklich aufregend ist es nicht, immer im Kreis rumzulaufen.
Zum Glück bekommen wir hie und da Besuch von Frau Reitlehrerin. Die guckt sich stirnrunzelnd an, wie wir die Rinne, die den ersten Hufschlag mittlerweile ausmacht, immer tiefer fräsen, und spricht dann ein Machtwort. Es lautet: „Geht mal aus der Rinne raus und auf den zweiten Hufschlag!“
Das geht aber nicht so ohne weiteres, wie Frau Reitlehrerin schnell feststellt. Zum einen habe ich mich in der Berg- und Talbahn gut eingespurt und finde es zudem an der Bande ganz gemütlich. Die übt eine magische Anziehungskraft auf mich aus und erspart es meiner Reiterin, mich mit ihren Hilfen einzurahmen. Äußere Hilfen, so was hat sie schon mal gehört und schnell verdrängt. Braucht man praktischerweise auch gar nicht, wenn man eine Bande hat Und schließlich will die Frau Piaffe reiten und keine doofen Übungen machen. „Aber ich reite IMMER da lang“, zeigt sie sich verständnislos.
„Und weil du das so machst und andere auch, deshalb sieht der Hallenboden auch so aus, mit fest installiertem erstem Hufschlag“, antwortet Frau Reitlehrerin. Sie gibt weiterhin zu bedenken, dass ein unebener Hallenboden Pferdebeine verschleißt. Allein dadurch, dass der erste Hufschlag eine Rinne ist, werden die Pferdehufe ungleich belastet. Die kippeln dann nämlich, was ungesund für die Hufgelenke ist und für den gesamten Bewegungsapparat.
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„Hmpf“, macht die Frau. Anscheinend ist sie nicht überzeugt. Und weil meine Reiterin nicht die Einzige ist, die so ein inniges Verhältnis zum ersten Hufschlag pflegt, ist gefühlt fünf Minuten nach dem Abziehen der Halle wieder eine Rinne da.
Was also tun? Raus aus der Rinne und rein ins Leben! Ab auf den zweiten Hufschlag, wo man kreative Schlangenlinien anlegen kann und gleichzeitig so tun, als wäre das geradeaus. Außer wenn Frau Reitlehrerin dabei ist, dann geht das nämlich nicht. Die erklärt gerade: „Beim Reiten auf dem zweiten Hufschlag merkst du, wie gut du dein Pferd an den Hilfen hast und auch, wie weit ihr mit der Geraderichtung seid. Fixiere einen Punkt genau vor dir und reite gerade darauf hin!“
Es folgt zielloses Rumeiern. Nicht umsonst nennt man uns auch die Erfinder der freien Schlangenlinie
Aber Frau Reitlehrerin weiß Rat: „Mit dem äußeren Zügel verhinderst du, dass dir der Pfridolin nach außen wegläuft. Und mit dem inneren Bein treibst du den Pfridolin an den äußeren Zügel heran. Und denk dran: Der erste Hufschlag ist Lava!“
Solcherart motiviert begeben wir uns auf den bis dato unberührten zweiten Hufschlag. Frau Reitlehrerin wiederholt gebetsmühlenartig „innerer Schenkel, äußerer Zügel“ und ordnet häufiges Durch-die- ganze- Bahn- wechseln an. Denn, so ihre Erklärung: das gezielte Zureiten auf einen bestimmten Punkt hilft dabei, das Pferd in der Spur zu halten. Ganz allmählich werden unsere Schlangenlinien kleiner Linien gerader und es macht sogar ein bisschen Spaß, denn an den langen Seiten sollen wir zulegen. Das hilft meiner Motivation und macht es der Frau leichter, die Linie zu halten. Die bildet sich mittlerweile Mitteltrab ein und ist wieder voll im Dressurqueen- Modus. Zum Glück schreitet Frau Reitlehrerin rechtzeitig ein, bevor das Ganze in Arbeit ausartet. Pausen sind nämlich auch wichtig, findet sie. Leider verbringen wir die auf dem zweiten Hufschlag, weil der erste ja Lava ist. Aber Frau Reitlehrerin findet einen Weg, auch das der Frau schmackhaft zu machen: „So kannst du den Pfridolin aus dem Sitz heraus lenken, was wichtig für später ist, wenn du einhändig reitest. Weil du zum Beispiel eine Garrocha in der anderen Hand hast.“
Ui. Garrocha! Working Equitation! Die Frau ist begeistert. Ich gucke Frau Reitlehrerin besorgt an: Dein Ernst? Sie zwinkert zurück. Vertrau mir, heißt das. Na dann.
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