Neulich auf dem Reitplatz.
„Was hast du da eigentlich auf dem Kopf?“, fragt Frau Reitlehrerin meine sogenannte Besitzerin.
Ich kann es ihr verraten: Es ist ein Aluhut. Zum Schutz gegen schädliche Einflüsterungen hat sich die Frau Alufolie um den Reithelm gewickelt.
„Meinen Kopfschutz“, erwidert sie hoheitsvoll.
„Sieht interessant aus“, lächelt Frau Reitlehrerin diplomatisch.
Unter uns: Interessant ist die kleine Schwester von scheiße, aber ich bin ja hier nur das Pferd und hab eh keine Ahnung.
„Und hilft auch! Auf diesen Quatsch mit innerer Schenkel, äußerer Zügel fall ich nicht mehr rein. Alles Fake News. Ich reite jetzt mit der Kraft meiner eigenen Gedanken. Und vor allem vertikal!“, schmettert ihr die Frau entgegen.
„Ach. Und ich dachte, du reitest den Pfridolin“, kann die sich nicht verkneifen. „Und warst du nicht die, die letztes Mal noch Turnübungen fürs Home Office haben wollte? Um weiter an ihrem Sitz zu arbeiten? Ich fand das eine tolle Idee!“
„Hat sich erledigt. Ich habe ja inzwischen dazugelernt und brauche sowas nicht mehr. Weil ich ja jetzt vertikal reite“, teilt meine Reiterin huldvoll mit.
Vertikal! Wenn ich sowas schon höre. Was die Frau tut, ist nicht vertikal oder horizontal reiten, sondern SCHLECHT reiten.
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„Was reitest du denn da so, wenn du vertikal reitest?“, erkundigt sich Frau Reitlehrerin.
„Na, versammelt natürlich!“, erklärt die Frau. „Aufrichtung und so.“
Aha. Frau Reitlehrerins Gesichtszüge entgleisen kurzfristig. Sie hat sich aber schnell wieder in der Gewalt und fordert: „Na dann zeig mal!“
„Mach ich doch schon“, giftet die Frau zurück. „Hier: Kopf und Genick gaaaanz oben. Das Genick ist der höchste Punkt, das wird ja in der Reitkunst so verlangt.“
Und Rücken gaaaaaanz weit unten und die Hinterhand gaaaaanz weit hinten raus. Ich bin ja hier eigentlich nur für Fleischtransporte Tragedienstleistungen zuständig, aber nach Reitkunst fühlt sich das nicht an.
Frau Reitlehrerin sieht es ähnlich und kommentiert: „Da hätte man aber auch ganz gern, dass der Rücken oben ist und die Hinterhand drunter. Und dass die Aufrichtung nicht durch Herumzuppeln an den Zügeln erzwungen wird, sondern reell von hinten kommt.“
„Das sind Aufwärtsparaden!“, keift die Vertikalreiterin auf meinem Rücken.
Das ist sicherlich dieses künstlerische Temperament, von dem man soviel hört. Reitkunst und so, da liegen Genie und Wahnsinn bestimmt nah beieinander.
„Ach was, Aufwärtsparaden. Das ist nur ein anderes Wort für Rumzuppeln an den Zügeln“, erwidert Frau Reitlehrerin mit der großen Ruhe derjenigen, die einfach weiß, wovon sie spricht. Sie erklärt: „Beim richtigen Reiten bewegt sich das Pferd in Selbsthaltung und hebt sich im Bereich des Widerrists an. Es wächst quasi.“
„Wie – es wächst? Das sind doch wieder Fake News“, zeigt sich die Frau störrisch.
Frau Reitlehrerin erläutert kurz, wie man das nachstellen kann und meine Reiterin erinnert sich daran, wie sie sich beim Sattler und bei der Osteopathin über derlei Handgriffe gewundert hat. Aber egal, das ist alles Schnee von gestern. Heute wird vertikal und in Aufrichtung geritten, jawoll!
Aber Frau RL spricht schon weiter: „Und eine richtig gerittene Versammlung entsteht dadurch, dass das Pferd mit der Hinterhand vermehrt Last aufnimmt, also ganz simpel gesprochen hinten tiefer wird. Dadurch wird die Vorhand entlastet und das Pferd kann vorne höher werden. Das funktioniert aber nur beim wirklich korrekten Reiten und man nennt es relative Aufrichtung. Dann gibt es noch die absolute Aufrichtung.“
„Aufrichtung ist Aufrichtung“, murmelt die Frau trotzig. „Und absolut ist toller als relativ.“
Aber Frau Reitlehrerin lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. „Das kann man so sehen oder so. Jedenfalls spricht man von absoluter Aufrichtung, wenn sie mit der Hand erzwungen wird. Dabei drückt das Pferd den Rücken weg und die Hinterhand ist nicht engagiert.“
„Aber es sieht sehr schön aus“, findet die Frau.
„Es ist aber nicht gesundheitsfördernd. Und wenn du mal ganz ehrlich zu dir selbst bist, weißt du schon, dass dir die Kopf-Hals-Position vom Pferd geschenkt wird, wenn du vernünftig reitest. Du weißt ja auch, wie sich das anfühlt, wenn der Pfridolin hinten ganz tief wird und vorne hochkommt.“
„Das ist aber so selten. Mimimi“, macht die Frau. „Dass diese Reiterei aber auch immer so verflucht schwer sein muss!“
Das sieht Frau Reitlehrerin genauso und tröstet: „Bei mir klappt auch nicht immer alles.“
Aber selbst wenn es bei dir nicht klappt, sieht es immer noch schön aus und bei mir nur interessant, denkt die Frau neidisch. Mimimi. Laut sagt sie: „Ich glaube, ich denke nochmal über diese relative Aufrichtung nach.“
Das unterstütze ich. Absolut sogar. Solange sie nur denkt und nicht reitet, ist es mit ihr auszuhalten Und wer weiß, vielleicht zieht sie den Aluhut eines Tages sogar noch aus.
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