Das Shetty-Kaltblutmix oder: Die Pferderettung

Die Frau will jetzt auch mal was Gutes tun und Pferde retten. Am liebsten mehrere. Weil die ja so dankbar sind. Vorwurfsvoller Blick zum spanischen Mähnenwunder und mir.

„Ohhh was für ein süßes Fohlen! Und guck nur mal, wie süß es guckt!“ Aufgeregt wedelt sie mit ihrem Smartphone vor der Nase von Frau Reitlehrerin herum. Die muss wohl oder übel einen Blick riskieren und zuckt zurück.

„Süß, gell?“ beharrt die Frau auf einer zweiten Meinung zum unscharfen Foto einer Pferdenase. „Und soooo günstig! Ist ein Shetty- Kaltblutmix.“

„Ah, vom Vermehrer“, rutscht es Frau Reitlehrerin heraus.

Auf den fragenden Blick meiner sogenannten Besitzerin erklärt Frau Reitlehrerin, dass es Züchter gibt, die sich darum bemühen, möglichst gute Pferde zu züchten, und besagte Vermehrer, denen die Qualität ihrer Pferde Wurst ist. Weil das das ist, wozu die armen Geschöpfe früher oder später eh werden.

Entweder früher (Stichwort Schlachtfohlen, die nach der Abreise der Touristen und ihrer Kinder getötet werden – oder halt, weil schon bei den Fohlen abzusehen ist, dass aus ihnen keine gesunden, belastbaren Pferde werden) oder später (nachdem die Pferderetter, denen die Tiere leidtun, dem Vermehrer einiges Geld in den Rachen geschmissen haben und irgendwann festgestellt haben, dass sie finanziell und auch ganz allgemein damit überfordert sind. „Wenn der blöde Junghengst auch so undankbar ist.“).

„Guck mal hier,“ erklärt Frau Reitlehrerin. „Sogar auf diesem schlechten Foto sieht man, wie krumm und schief das arme Tier auf den Beinen steht. Das wird bald arge Probleme mit Arthrose haben. Wahrscheinlich wurde auch an der Aufzucht gespart, weil so ein Vermehrer ja in erster Linie sein Geld vermehren will. Und das mit Herzblut.“

„Aber so sü-hü-hüß“, säuselt die Frau.

*

„Ja, jetzt. Aber was ist denn, wenn das süße Fohli in fünf oder zehn Jahren nicht mehr laufen kann? Soll es dann jemand anders retten oder willst du ihm noch 20 Jahre lang Rente, Tierarzt und Schmied bezahlen?“

„Hmmm“, macht die Frau. Und nach einer kurzen Pause: „Aber guck mal, der hier!“

„Sieht aus wie ein Windhund. Mit etwas Vollblut drin“, stellt Frau Reitlehrerin mit zusammengekniffenen Augen fest.

„Haha!“, macht die Frau, schlagartig wieder gut gelaunt. „Das ist ein Blüter, jawoll. Natürlich ohne Papiere, aber sieht man ja.“

„Natürlich. Könnte aber auch ein Welshmix sein. Guck mal, in der Beschreibung steht Stockmaß 1,32m.“

Das interessiert die Frau nur mäßig. „Und soooo süß kann er gucken!“, schwärmt sie weiter.

„Aber du willst dieses Tier auch irgendwann mal reiten, ja?“

Die Frau nickt euphorisch.

„Der Rücken sieht… ähm … interessant aus. Soweit man das sehen kann. Irgendwie….“ sie legt den Kopf schief „wie ein Karpfenrücken. Soweit man das bei dem Bildausschnitt sagen kann. Wird bestimmt nicht einfach, dafür einen passenden Sattel zu finden. Und ob man DEM Tierchen mit der Reiterei einen Gefallen tut…“

„Ach was, da nehm ich einfach den Fellsattel. Den mögen doch alle,“ zwitschert die Frau von Wolke Sieben herunter.

„Ja schon.“ Frau Reitlehrerin ringt mit sich und gibt dann jeglichen Versuch auf, sich diplomatisch zu äußern. „Allerdings sollte die Reiterin dabei nicht schwerer als das Pferd sein.“

BÄM. Die Frau ist not amused.

Aber Frau Reitlehrerin ist noch nicht fertig: „Warum sollte man überhaupt ein langweiliges gesundes Pferd mit langweiligen Papieren vom qualifizierten langweiligen Züchter kaufen, der sich noch dazu mit der Aufzucht Mühe gegeben hat? So eines ist ja teuer. Und außerdem keine romantische Pferderettung. Dann doch lieber ein süßes kleines Schlachtfohlen aus der – hässliches Wort – Überproduktion, das bald ein hässliches Jungpferd ist und mit vier Jahren summa summarum mindestens genauso viel gekostet hat wie ein Pferd von einem verantwortungsbewussten Züchter. Wobei es mich nicht wundern würde, wenn die wegen ausbleibender Kundschaft auch bald auf den Zug aufspringen und mit billigst und schlecht erzeugten Pferden den einfacheren Weg gehen. Anscheinend lohnt es sich immer mehr, gesundheitliche Baustellen zu erzeugen und die dann zum sogenannten Schlachtpreis zu verkaufen. Apropos Schlachtpreis: Der eigentliche Schlachtpreis ist meistens viel weniger als das, was die verantwortungslosen Verkäufer für ihre armen Geschöpfe verlangen und bekommen. Die Geschäfte gehen nämlich ganz gut in der Der-geht-sonst-zum-Metzger-Industrie. Nur komisch, dass es keine vernünftigen Freizeitpferde aus guter Zucht mehr gibt.“

„Ja komisch“, sagt die Frau, die den Witz nicht verstanden hat.

*

Schritte auf der Stallgasse. Der Mann kommt!

Die Frau erbleicht. Anscheinend sind die aktuellen Pferdekaufpläne noch nicht für eine breitere Öffentlichkeit bestimmt, denn sie flüstert Frau Reitlehrerin zu: „Du weißt von nix! Und ich habs mir gerade spontan anders überlegt. Zwei Verrückte reichen.“

Und jetzt überlegen der Lutschi und ich, wen sie damit wohl gemeint hat.

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