„Film das bloß nicht, das ist furchtbar“, blökt die sogenannte Besitzerin den Mann an, der den Auftrag hat, ihre reiterlichen Glanzleistungen auf dem Handy festzuhalten. Weil sie mir gerade nicht im Maul hängt, sondern herauszufinden versucht, ob sie auf dem richtigen Fuß leichttrabt und ich dabei die Nase dezent vor der Senkrechten habe.
„Der Sattel sieht aber echt schäbig aus“, meint sie, als eine Miteinstallerin das gebraucht gekaufte Schätzchen, das aber zur Abwechslung endlich mal passt, auf ihrem großen Fuchs platziert.
„Ekelhaft ist das hier, so viele Fliegen“ ist ihr Kommentar, als wir bei einem Ausritt gesittet durch den Wald galoppieren. Bei sowas ist sie früher tausend Tode gestorben. Wegen Galopp und in der Wildnis und huiuiui. Dann hat sie die Beruhigungskräuter in der Sattelkammer entdeckt und anscheinend eine Überdosis erwischt.
„Grau-en-haft, da kann man gar nicht hingucken“, erklärt sie, als eine Reiterin, deren Namen sie nicht kennt – ist aber auch egal, die geht eh bald wieder, weil die doof ist – Sitzübungen an der Longe macht.
„Das ist jetzt aber mal echt kacke“, ist ihre Aussage in der nächsten Reitstunde.
Frau Reitlehrerin zieht fragend die Augenbrauen hoch.
„Na der Pfridolin“, ist die Antwort.
„Ja?“, fragt Frau Reitlehrerin.
„Wie der läuft. Grauslich.“
„Was meinst du genau?“
„Der ist wieder so unbequem, das macht der extra, ich schwöre.“ Sie verdreht die Augen und zuppelt heimlich am Zügel, damit es wieder bequemer wird. Außerdem sind Zügel ganz praktisch, da kann man sich gut dran festhalten.
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Frau Reitlehrerin sieht das gar nicht gern, weil die ja so furchtbar old school ist. Sie hätte gern, dass das Pferd – also ich – von hinten nach vorn geritten wird. Mit anderen Worten: die Hand bietet eine Anlehnung an und ich trete vertrauensvoll ans Gebiss heran. So der Plan. Aber erst muss das nörgelige Etwas auf meinem Rücken auf Kurs gebracht werden. Frau Reitlehrerin weiß auch schon, wie. „Nimm mal die Zügel in die linke Hand“, ordnet sie an. Wir sind nämlich grad auf der rechten Hand, und wo die sogenannte Besitzerin ja immer Maleste mit der Rechtsdrehung hat, bietet sich das an.
„Beide?“, fragt die Frau verschreckt.
„Beide.“
Und zack, richtig schlechte Laune. Frau Reitlehrerin lächelt einen Hauch pädagogischer und die Frau tut, wie befohlen.
„Als erstes stellen wir die Losgelassenheit bei euch beiden her“, erklärt Frau Reitlehrerin. „Der Pfridolin geht gar nicht schlecht, nämlich schön vorwärts, dir kommt das aber im Moment unbequem vor, weil du auch noch nicht so richtig locker bist.“ Wann ist sie das jemals, denke ich, aber ich bin ja hier nur das Pferd und man sagt mir nach, ich würde lästern.
Die Frau holt tief Luft, um zu widersprechen.
„Denn wenn du locker und schmiegsam sitzen würdest, würde dich das ja nicht stören“, lächelt Frau Reitlehrerin beruhigend. „Jetzt erstmal tief ausatmen, so. Und dann kreist du mit deinen Schultern.“
„Beim Leichttraben?“
„Beim Leichttraben. Kleine runde Bewegungen, erst vorwärts und dann rückwärts. Und als Challenge kannst du versuchen, eine Schulter vorwärts und die andere rückwärts kreisen zu lassen.“ Die Frau kreist und versucht, ihre Schultern zu sortieren. Dabei ist ihr Gehirn so beschäftigt, dass sie ganz aus Versehen locker wird und sich ihre Bewegungen besser koordinieren.
Frau Reitlehrerin erwähnt das und lobt sie sehr. Die Frau ist selbst ganz überrascht, wie sich ihr Körpergefühl verbessert hat. Aber trotzdem sieht das kacke aus, findet sie. Schließlich will sie ja Dressur-Queen sein und stocksteif auf mir thronen. Aber Frau Reitlehrerin lächelt nur und lässt uns auf den Zirkel abwenden.
„Mit einer Hand? Mimimi. Das klappt doch nie.“
„Doch, das schafft ihr“, lächelt Frau Reitlehrerin beruhigend. „Dadurch, dass du die Zügel in der linken Hand hast, kannst du dich jetzt viel besser nach rechts drehen.“
Und weniger am Zügel zuppeln, fällt der Frau auf. Mist, da muss sie tatsächlich mehr aus dem Sitz heraus reiten. Und siehe da, der Drehsitz klappt und der Zirkel auch. Und bevor sie sich wieder darüber beschweren kann, dass irgendwas uncool oder blöd ist, zählt Frau Reitlehrerin auf, was alles klappt beziehungsweise besser geworden ist. „Der Pfridolin bewegt sich insgesamt viel schwungvoller, tritt viel besser unter und hat die Nase immer häufiger vor der Senkrechten“, beginnt sie.
„Aber es ist so unbequem“, klagt die Frau.
„Du bist schon viel lockerer und beweglicher geworden“, beschwichtigt Frau Reitlehrerin. „So wie jetzt wäre der Pfridolin früher nicht getrabt, als du noch in deinen alten Bewegungsmustern warst. Außerdem hast du deinen Blick geschult und kannst erkennen, wann ein Sattel zwar schön ist, aber nicht passt.“
„Und umgekehrt“, kräht die Frau, die langsam wieder Oberwasser bekommt.
Frau Reitlehrerin spricht weiter: „Ihr könnt jetzt wunderbar beim Ausreiten galoppieren, was früher nicht so gut ging.“ Weil die sogenannte Besitzerin da nämlich fast vor Angst gestorben wäre.
„Stimmt“, sagt die Frau nachdenklich. „Und das trotz der ganzen Fliegen, die im Moment unterwegs sind.“
„Und du bist insgesamt lockerer geworden – nicht mehr Piaffe um jeden Preis, sondern locker-flockig reiten.“
Hmmm, macht die Frau, denn der Traum von der Piaffe ist nach wie vor da. Aber sie muss Frau Reitlehrerin rechtgeben. Da sind doch verschiedene positive Dinge passiert, die sie komplett verdrängt hat.
„Und wenn du möchtest, kannst du in der nächsten Unterrichtsstunde meinen Dieter reiten, dann kannst du herausfinden, wie das Sitzgefühl auf einem weit ausgebildeten Pferd ist.“
Oh, ah. Große Ehre. Die Frau ist hin und hergerissen. Weiß man denn, wie sie sitztechnisch auf dem Dieter klarkommt? Ein fremdes Pferd ist ja irgendwie ein wildes Tier. „Vielleicht können wir dann erstmal Sitzübungen an der Longe machen“, schlägt sie zaghaft vor.
„Gute Idee!“ Frau Reitlehrerin ist ehrlich begeistert. „Da musst du nur fühlen, den Rest mache ich.“
Ist vielleicht auch ganz schön, denkt sich die Frau. Und zur Not kann ich mich am Sattel festhalten.
„Ganz wichtig: Konzentriere dich immer aufs Positive, das bringt dich auch beim Reiten weiter“, schärft ihr Frau Reitlehrerin zum Abschied noch ein. „Pferde mögen Menschen, die gut gelaunt sind. Und es macht auch einfach mehr Spaß, gute Laune zu haben als ständig zu meckern.“
„Meckern? Iiiiiiiiich?“ Aber versuchen kann sie es ja mal. Vor allem, wenn man dadurch besser reitet. Und vielleicht klappts dann auch mit der Piaffe.
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