Das hamwa früher immer so gemacht!

„Mit dem Schlauch abspritzen? Firlefanz, du musst den abschwammen und dann mit dem Schweißmesser abziehen!“ knurrt der alte Zausel, der durch unsere Stallgasse schleicht. „Das hamwa früher immer so gemacht!“

Furchtsam nickt die sogenannte Besitzerin und überlegt fieberhaft, was zum Henker abschwammen ist und wie sie das auf die Schnelle hinkriegt. Und ein Schweißmesser – ist das was zum Schneiden?

„Siehste, so.“ Gönnerhaft begibt sich der neue Reitsportberater zum Waschbecken und füllt einen Eimer mit Wasser, in dem er einen dort gefundenen Schwamm versenkt. Mit dem Schwamm bearbeitet er mich erstaunlich gefühlvoll, greift sich das komische Metallding, was da rumliegt und bei dem die sogenannte Besitzerin nicht weiß, was sie davon halten soll, und befördert damit das überschüssige Wasser aus meinem Fell. „So, und jetzt ab in die Box“, kommandiert er.

„Eigentlich wollte ich den Pfridolin jetzt wieder auf die Weide stellen“, piepst die Frau, der der bärbeißige Alte offensichtlich großen Respekt einflößt.

„Weide? Früher gabs das nicht. Die jungen Pferde kamen auf die Weide, die Reitpferde in die Box! Weidezeit ist Leidezeit, die machen sich da nur kaputt!“ Na wenigstens empfiehlt Methusalix keine Ständerhaltung, weil „das hamwa früher immer so gemacht“.

Also stellt mich die Frau in die Box. Methusalix begutachtet mein Wohnklo von außen. „Wenigstens ist gut eingestreut“, kommentiert er und lässt sein Auge weiter schweifen. Und zack! Blutdruck. „Da ist ja ne Selbsttränke!“ Ja, und ich finde das ganz praktisch, weil ich nicht verdursten will. „Selbsttränken sind was für Faule“, schmettert er. „Pferde werden aus dem Eimer getränkt, das hamwa früher immer so gemacht!“ Die Frau lächelt verlegen. „Oder meinetwegen auch aus dem Bottich“, gibt sich der Opi gönnerhaft. Also das fände ich persönlich ganz schick. Aus dem Bottich trinken wir im Winter, wenn die Tränken eingefroren sind, und das ist nicht ganz so nervig wie dieses Zuzeln an der Selbsttränke, wo kaum Wasser rauskommt.

Auf dem Weg nach draußen kommt Methusalix an der Führanlage vorbei, die natürlich auch nichts taugt, weil: „Früher hamwa sowas auch nicht gehabt. Ist nur was für Faule, die nicht selber laufen wollen.“ Die Frau zuckt schuldbewusst zusammen.

Der zauselige Alte schlurft weiter und verschwindet. Die Frau schüttelt sich wie nach einem bösen Traum und ich überlege angestrengt, was das gerade zu bedeuten hatte. Wurde der Stall verkauft und Methusalix ist unser neuer Chef?

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Nein, viel besser. Ihr kommt nicht drauf, deshalb verrate ich es euch: Die Frau hat Reitunterricht bei einem alten Meister gebucht. Und der wollte die Schülerin vorab kennenlernen. Vielleicht kommt er auch nicht viel unter Leute und ihm war langweilig, wer weiß das schon. Mit anderen Worten: am nächsten Tag ist er wieder da. Was man leider frühzeitig merkt, weil er sich mit großer Lautstärke mitteilt. Wenn der mal richtig brüllt, bleibt kein Stein auf dem anderen, wetten? Aber egal, meine unempathische und wahrscheinlich auch schwerhörige Besitzerin zwingt mich in die Reithalle. „Prima, die hat ’ne gute Akustik“, brüllt uns Methusalix freundlich zu.

Ich bin entsetzt und lege den Rückwärtsgang ein. „Gib dem mal einen auf den Zahn, das hamwa früher immer so gemacht! Der hampelt ja hier nur rum“, ordnet Methusalix an.

Die Frau guckt fragend.

„Na, ‘nen Insterburger!“

Die Frau guckt immer noch.

„‘Nen kräftigen Ruck“, übersetzt Methusalix. „Ein Ruck im Maul, schon steht der Gaul! Wie heißt der eigentlich?

„Pfridolin“, piepst die Frau.

„Ah, Friedrich. Benimm dich, Fritze, sonst kriegen wir zwei Ärger“, blökt er mir ins Ohr.

Ich habe genug gehört und bleibe freiwillig stehen. Die sogenannte Besitzerin war anscheinend an den Beruhigungskräutern in der Futterkammer, denn sie hat immer noch nicht das Diskutieren angefangen. Stattdessen nutzt sie meine Schockstarre aus, um hurtig meinen Rücken zu erklimmen.

„Als erstes machst du einen Knoten in die Zügel, die brauchen wir nicht. Wir arbeiten nämlich an deinem Sitz“, beschließt der alte Meister.
Die Frau ist gespannt. Ich auch.

„Der Knieschluss ist das A und O“, erklärt Methusalix mit Lautstärke zehn. Ich möchte bitte taub sein. Die sogenannte Besitzerin hat ihn akustisch verstanden, mehr aber auch nicht. Methusalix kramt in seiner Jackentasche. „Die Knie müssen mehr ran. Klemm dir mal die Bierdeckel hier zwischen Knie und Sattel. Auf jeder Seite einen. Wenn die runterfallen, musst du mir einen ausgeben. Macht ‘nen Riesenspaß. Hamwa früher immer so gemacht!“

Die Frau hat mittlerweile gemischte Gefühle, platziert aber artig die Bierdeckel zwischen Knie und Sattel, wodurch sie noch einen Tacken verkrampfter sitzt als vorher.

„Da fehlt noch was, Mädchen! Gib mal deine Gerte her. So. Die steck ich dir hinter deinem Rücken durch beide Ellbogen durch, damit du gerade sitzt!“ donnert Methusalix fröhlich und tut, was er angedroht hat. „Brust raus, Schultern zurück!“

Die sogenannte Besitzerin wird gern Mädchen genannt und nimmt wunschgemäß militärische Haltung an. Obwohl das mit den festgestellten Oberarmen und den angeklemmten Knien doch recht unangenehm ist. „Und die Absätze tief, sonst schieß ich dir Blei in die Hacken!“, brüllt Methusalix gutgelaunt.

Die Frau weiß nicht so recht, was sie davon halten soll, aber bei der Kavallerie hat sicher ein rauer Umgangston geherrscht, denkt sie sich.

„Und jetzt geht’s los. Ich hol mir noch ’ne lange Bahnpeitsche, damit der Friedrich ordentlich vorwärts geht. Was, Fritze?“ Er blinzelt mir schelmisch zu und kramt hinter der Bande.

Zum Glück will die sogenannte Besitzerin nicht herausfinden, ob und was er da findet und wie genau es losgeht, sondern beendet die Reitstunde spontan. Später beschwert sie sich bei Frau Reitlehrerin, die immer große Stücke auf die alten Meister hält. Vor allem aber hat sie ihr Date mit Methusalix vorher genehmigt, mit der Begründung: Du wirst ja nicht dümmer dadurch. Ist auch schwer möglich.

„Nicht jeder, der alt ist und mit Pferden zu tun hat, ist auch ein alter Meister“, erklärt Frau Reitlehrerin freundlich lächelnd. Die sogenannte Besitzerin ist nämlich so dermaßen kleinlaut und verunsichert gewesen von der ganzen Brüllerei, dass sie sich erstmal hinsetzen und durchatmen musste, bevor sie zu Frau Reitlehrerin gegangen ist.

„Steinzeitliche Methoden“, murmelt die sogenannte Besitzerin. „Und didaktisch unterste Schublade.“ Gell, da staunt ihr, was die Frau für Ausdrücke kennt? Ich auch. Von daher war es eine schöne Lernerfahrung für sie.

Da muss ihr Frau Reitlehrerin rechtgeben. „Nicht jeder, der früher Reitschüler ausgebildet hat, hat das auch gut gemacht. Man muss das immer im historischen Kontext sehen. Vieles von dem, was wir heute über Bewegungszusammenhänge und Didaktik wissen, war damals unbekannt. Zum Beispiel hilft es beim Reiten, was ja ein lockeres Mitschwingen ist, wenig, wenn man Körperteile künstlich ruhigstellt und sich das Klemmen mit den Knien angewöhnt. Andererseits ist auch viel wertvolles Wissen im Lauf der Zeit verloren gegangen, was schade ist und wo man unbedingt gegensteuern muss.“

„Die Kunst ist es, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden“, sagt die Frau nachdenklich und ich glaube, da ist sie einer großen Sache auf der Spur.

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