„Gut gemacht“, strahlt Frau Reitlehrerin, lobt ihren Dieter nach einer besonders gelungenen Traversale, pariert durch und sitzt ab.
Die Pferdeprofis hinter der Bande gucken komisch. Die Reaktionen reichen von „Wie jetzt?“ und „WTF?“ bis zu „Die reitet doch erst eine halbe Stunde, warum hört sie denn jetzt schon auf?“
„Weil sie es kann“, würde ich sagen, aber ich bin ja hier nur das Pferd und werde für gewöhnlich nicht gefragt.
Beim nächsten Mal Reiten dasselbe: Streber-Dieter macht irgendwas gut und Frau Reitlehrerin hopst wie von der Tarantel gestochen herunter.
Am nächsten Tag haben die Frau, meine sogenannte Besitzerin, und ich Reitunterricht. Die Frau bildet sich bekanntlich ein, Reitkunst zu treiben, und weil uns die Basics ausnahmsweise mal gut gelungen sind, darf sie Seitengänge im Trab reiten. Beziehungsweise was sie dafür hält. Frau Reitlehrerin hilft von unten, und wenn ich die konfuse Hilfengebung der sogenannten Besitzerin ausblende und mich nur auf Frau Reitlehrerins Körpersprache konzentriere, klappt es auch ganz ordentlich. Weshalb die nach einem sehr schönen Renvers mit einem Mal kommandiert: „Anhalten, loben, absitzen.“
Und die Frau so: „Hääääää?“
Frau Reitlehrerin ist ein geduldiger Mensch und wiederholt: „Anhalten. Jetzt. Und Loben. Und absitzen.“
Widerstrebend gehorcht die Frau. Das Anhalten ist dabei nicht das Problem, das mach ich von allein und zwar sehr gern, aber die letzten zwei Sachen fallen ihr schon schwer. Aber bevor Frau Reitlehrerin sie am Bein von mir herunterzieht, sitzt sie lieber selbständig ab. Jetzt steht sie neben mir und fragt mit Blick auf die Uhr: „WARUM???? Die Reitstunde ist doch noch gar nicht um.“
„Für heute ist die Reitstunde um. Du musst auch nicht den vollen Preis zahlen, weil wir nicht die volle Zeit gemacht haben. Aber der Pfridolin hat sich jetzt so angestrengt und es so gut gemacht, dass wir mit diesem Erfolgserlebnis aufhören wollen.“
Wollen wir das? Die sogenannte Besitzerin ist noch nicht überzeugt. Dementsprechend grantig guckt sie.
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Was aber komplett an Frau Reitlehrerins Gute-Laune-Beschichtung abperlt. Lächelnd fährt sie fort: „Wir wollen ja schließlich ein motiviertes Pferd, das sich mit feinen Hilfen reiten lässt.“
Wollen wir das? Die Frau überlegt. Ja, das wollen wir, entscheidet sie nach einer gewissen Bedenkzeit. Ihr Gehirn ist halt nicht so aktiv wie meins, ihr kennt sie ja 😛
„Und dafür ist es günstig, wenn wir die Reitstunde positiv beenden.“ Davon hat die Frau mal was gehört. Man soll immer mit einem Erfolgserlebnis aufhören, erinnert sie sich. Aber warum? Und woher nimmt man dieses Erfolgserlebnis, wenn man es mal braucht?
„Im Idealfall macht man es so, dass man das Pferd für eine besonders gute Leistung belohnt, und zwar auf eine Art und Weise, an die es sich noch lange erinnert.“ Ah. Man kann das Erfolgserlebnis nicht herbeizaubern, aber wenn es schon mal da ist, sollte man es nutzen. Der Frau raucht der Kopf vor lauter Nachdenken und kluger Ideen. Als Frau Reitlehrerin sie dann noch fragt, wie denn das Gedächtnis funktioniert, hätte sie fast gemeutert. Woher sie denn sowas wissen sollte, das hätte doch mit Reiten nix zu tun.
Frau Reitlehrerin lächelt beruhigend und beantwortet die Frage selbst: „Wenn man Pferde ausbildet, ist es ganz praktisch, wenn man weiß, wie deren Gehirn arbeitet.“
Hach, Pferde ausbilden, das wär’s doch! Die sogenannte Besitzerin ist jetzt wieder auf Kurs und lauscht motiviert. Übrigens ist jeder Reiter auch Pferde-Ausbilder, aber die meisten wissen es nicht. Wir Pferde lernen in jeder Reiteinheit etwas, manchmal sogar das, was wir sollen.
Aber die Frau lernt auch was. Staunend erfährt sie, dass die Erinnerung an ein Ereignis – zum Beispiel die letzte Reitstunde – von zwei Dingen bestimmt wird: Dem Höhepunkt des Ganzen und dem Endpunkt. Klar, man erinnert sich immer am besten daran, wie etwas aufgehört hat. Schon, weil das noch nicht so lange her ist wie der Rest. Das hat sich Frau Reitlehrerin auch nicht ausgedacht, dazu gibt es Studien. Und wenn man diese Erkenntnis dazu nutzen will, jemand zu motivieren, so dass dieser Jemand den Reitunterricht toll findet, dann wäre es ausgesprochen pfiffig, wenn man das Highlight und den Endpunkt miteinander kombiniert.
Das versteht die Frau. „Aber wieso sollte ich denn absitzen?“, fragt sie.
„Weil das die größte Belohnung für ein Pferd ist. Und weil das Pferd so lernt, dass sich die Anstrengung lohnt.“
„Ach“, sagt die Frau da und hat das Gefühl, einer großen Sache auf der Spur zu sein. „Und deshalb ist der Dieter immer so motiviert?“
„Genau deshalb“, lächelt Frau Reitlehrerin und die Frau fühlt sich ganz schön schlau.
Bild: Lässt sich auch mit Leckerli motivieren 😉
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