Fasziniert beobachtet die Frau, meine sogenannte Besitzerin, wie sich die neue Profi-Bereiterin um die Dressurkracher von Frau Reichundschön kümmert. Der professionelle Beritt ist wichtig, weil Frau Reichundschön so einfach nur die Aufgabe für die aktuell anstehende Dressurprüfung lernen muss – ihr Pferd kennt die ja schon. Und zum anderen wird auf die Art endlich mal das Niveau in unserem piefigen Freizeitstall angehoben.
Die Frau findet das mega. Die anderen Pferdeprofis hinter der Bande auch. Und gemeinschaftlich findet man heraus: Dieses Reiten ist gar nicht so schwer, wie man immer dachte. Einfach hinten stechen, vorne ziehen, und schon läuft der Gaul. Da muss einfach mehr Dampf auf den Kessel, und dann lüppt dat schon. Weshalb die Profi-Bereiterin natürlich stets mit Sporen und Gerte unterwegs ist und beides beherzt einsetzt.
Und dann sieht die Lena natürlich auch gut aus. Den Namen haben die Pferdeprofis hinter der Bande schnell ermittelt, weil Lena aktuell ihr ganz großes Vorbild ist. Schlank, immer mit blankgewienerten Reitstiefeln, weißen Handschuhen für die Optik und adretter Turnierfrisur. Und wie die auf dem Pferd sitzt! Und was die Pferde bei ihr für einen Kragen machen! Hammer, finden die Reitprofis. Dank der weißen Handschuhe kann man auch schön sehen, was genau die Lena mit den Händen macht, damit die Pferde so eindrucksvoll laufen. Ganz einfach eigentlich – man sägt abwechselnd rechts und links und schon ist die Rübe unten. Und wenn man hinten genug Druck macht, wird auch der Hals schön rund. Das ist ja easy, sagt sich nicht nur die sogenannte Besitzerin.
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„Wenn’s mal klappt, guckt natürlich keiner“
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Und so bietet sich Frau Reitlehrerin bei ihrem nächsten Besuch ein interessantes Bild (interessant ist die kleine Schwester von Scheisse, aber das wisst ihr ja). Die anwesenden Reiterinnen sind alle im Lena-Look, was ja erstmal nicht schlimm ist. Schlimmer ist das, was sie mit den Händen machen.
„Du riegelst ja!“, entfährt es Frau Reitlehrerin. Die sogenannte Besitzerin zieht sich den Schuh nicht an: „Ich spiele den Pfridolin nur runter. Die Lena macht das auch so und eigentlich macht das doch jeder.“ Und übrigens schwärme ich für die Lena wie ein dreizehnjähriges Fangirl, weil die nämlich sooo sooo soooo toll ist. Das letzte denkt sie sich zum Glück nur und spricht es nicht aus.
„Dieses Rechts-Links-Sägen mit den Zügeln ….“
„…runterspielen, genau“, nickt die Frau. „Die erfolgreichen Reiter machen das alle und es heißt runterspielen.“ Falls du das noch nicht gewusst hast, würde sie gern noch sagen, traut sich dann aber doch nicht.
„Meinetwegen auch Runterspielen, aber so ganz eigentlich ist es Riegeln. Abwechselnd rechts-links-am Zügel ziehen hieß immer schon riegeln und ist ein grober reiterlicher Fehler“, erklärt Frau Reitlehrerin. „Beim Riegeln verkriechen sich die Pferde hinter dem Zügel und bekommen einen falschen Knick.“
Die Frau guckt fragend, aber grantig. Da versucht sie sich weiterzubilden und wieder ist alles falsch, was sie macht. „Die Rübe muss aber doch runter. Und im Sport machen die das auch so. Alle.“
„Wir sind hier aber nicht im Sport, wo auch immer das sein soll. Wir wollen, dass der Pfridolin in einer korrekten Anlehnung läuft und dass du ihn von hinten nach vorn ans Gebiss heranreitest.“ Die Frau zieht ein langes Gesicht, aber Frau Reitlehrerin ist noch nicht fertig: „Denn du möchtest ihn ja gesunderhaltend gymnastizieren, damit er lange gesund bleibt.“
Eigentlich möchte sie das ja wirklich. Wenn es doch nicht so furchtbar schwierig wäre. „Das andere ist aber viel einfacher“, merkt sie an. „Und ALLE machen das so. ALLE.“
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„Beim Reiten lernen gibt es leider keine Abkürzungen. Menschen sind handorientiert, sie wollen all das mit der Hand machen, wozu man beim Reiten aber den ganzen Körper benötigt. Und die Hand am allerwenigsten. Deshalb ist das auch so schwer.“
Die Frau fühlt sich verstanden und nickt.
Frau Reitlehrerin erklärt weiter: „Das grobe Reiten, wo man mit dem Bein viel Druck macht und vorn einfach den Pferdekopf runterriegelt, ist viel einfacher und sieht für Leute, die sich nicht auskennen, auch schön aus. Es ist aber verschleißend und pferdeverachtend, denn diese Art des Reitens tut den Pferden weh. Sonst müsste man ihnen ja nicht das Maul so zuschnüren, dass sie sich nicht wehren können. Denn das würden sie, wenn man sie ließe.“
So hat die sogenannte Besitzerin das noch nicht gesehen. Und so ganz eigentlich möchte sie zwar Dressur-Queen sein, aber auf die nette, pferdefreundliche Art, wie sie Frau Reitlehrerin anvertraut.
Die tröstet: „Das kannst du alles lernen. Es dauert zwar länger, aber dafür kannst du deinen Pferden hinterher noch in die Augen schauen. Es ist verständlich, dass du nach Abkürzungen oder einfachen Wegen suchst, aber die gibt’s beim korrekten Reiten nicht. Es dauert so lange, wie es dauert, es ist schwierig und man muss sich über Kleinigkeiten freuen. Aber es ist die einzige Sportart, die auf dem Rücken eines anderen Lebewesens ausgeübt wird, und da trägt man einfach eine besondere Verantwortung.“
Reiten hat vielleicht auch was mit Persönlichkeitsentwicklung zu tun, dämmert es der sogenannten Besitzerin, und ich glaube, da ist sie einer großen Sache auf der Spur.
Bild: Violeta Pencheva/Unsplash
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