„Der Meister kommt zu uns!“ jauchzt die Frau, meine sogenannte Besitzerin.
„Und was will er da?“, erkundigt sich der Mann, der uns vor einiger Zeit zugelaufen und komischerweise immer noch da ist.
„Na, mir Unterricht geben natürlich!“ Die sogenannte Besitzerin hat nämlich was Falsches gegessen und davon anscheinend komische Visionen bekommen. Eine davon ist es, beim Meister des spirituellen Reitens Unterricht zu nehmen, den sie bislang nur heimlich und aus der Ferne bewundern konnte. Sie spricht weiter: „Weil ich doch jetzt zum Inner Circle dazugehöre, zu den Auserwählten, mit denen er persönlich spricht. Die anderen können ihn nur im Internet bewundern. Die Armen.“
Arm ist wohl in erster Linie die sogenannte Besitzerin, denn die Erleuchtung durch den Seelenformer, wie ihn seine AnhängerInnen nennen, kostet eine Kleinigkeit. Dafür kriegt man aber auch was geboten: Die Aura des Meisters und seines Mediums, das für ihn mit denen spricht, die nicht auserwählt sind, bestimmt jede Menge Weisheit und Erleuchtung und schließlich die Vermittlung der spirituellen Reitkunst, die der Meister von seinen Vorfahren mündlich überliefert bekommen hat.
Daheim, in den Weiten der Puszta, wo die Seele noch wachsen kann und wo er jahrhundertelang unter einem Stein gesessen und meditiert hat. Wenn er nicht gerade mit seinen erlauchten Händen besondere Sättel gebaut hat, um zwei Seelen miteinander zu verbinden. Beziehungsweise das Gesäß der sogenannten Besitzerin auf meinem Rücken zu verankern. In diese Sättel ist ganz viel Liebe, Weisheit und sonstige Erleuchtung eingeflossen, weshalb sie jetzt auch von einer kleinen asiatischen Manufaktur namens Tume oder so nachgebaut werden. Auf jeden Fall passen die Zaubersättel jedem Pferd, so lang es spirituell geritten wird. Und teuer sind sie auch, wegen des ganzen Heilzaubers darin.
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Und wie kam es zu dieser mystischen Verbindung, fragt ihr euch. Das war nämlich so: Bei einer ersten Reitstunde, die die sogenannte Besitzerin in der entlegenen Heimat des Meisters auf einem seiner eigenen Pferde aus einer Spezialzucht erleben durfte, hatte sich der Seelenformer sehr lobend über ihre Reitkünste geäußert, weshalb sie ihm jetzt mit Haut und Haaren verfallen ist. Das ist mal was anderes als unsere Frau Reitlehrerin zuhause, die immer irgendwas auszusetzen hat. Soviel Negativität! Und wie sie mit dem spezialgezogenen Wundertier fertig geworden ist, das außer ihr keiner so gut reiten kann! Bedankt hat er sich bei ihr, der Meister. Bedankt! Mit Tränen in den Augen, weil er so berührt war, dass er diesen Moment miterleben durfte. Sowas kenne ich auch, bei uns sind es aber meist Lachtränen. Man sagt mir auch nach, ich würde heftig über meine Reiterin lästern. Ich weiß gar nicht, wie die Leute darauf kommen.
Mit Speck fängt man Mäuse, sagt der Mann, aber leise, weil die Frau immer noch vom Meister schwärmt. Und auch von der speziellen Sonderrasse, die die Vorfahren des Meisters in größter Geheimhaltung bewahrt und erhalten haben. Wahrscheinlich auch unter dem Stein, unter dem man wohnte und meditierte. Auf den Handyfotos sieht das spezielle Sonderpferd jedenfalls wie ein dicker Haflinger aus. „Ein Meloneur ist das. Eine ganz seltene Rasse, die keiner kennt. Außer dem Meister und den Auserwählten, selbstredend“, erklärt die Frau.
„Der Körper sieht tatsächlich melonenförmig aus“, erkennt der Mann.
„Du hast ja keine Ahnung“, empört sich die Frau. „Auf jeden Fall kommt der Meister zu uns und ich reite für ihn. Hach.“
„Aber du bezahlst das, oder?“, erkundigt sich der Mann, der sich da momentan nicht sicher ist.
„Nein, du bezahlst das, weil auch deine Seele davon profitieren wird“, erklärt die Frau.
Stille.
Und dann ist es so weit – der große Tag ist da und der Seelenformer auch. Ich werde mit dem spirituellen Sattel gesattelt und in die Reithalle geführt. Der Meister ist schon da. Erst wird zünftig meditiert und dann, wo ich schon denke, jetzt ist endlich Schluss und ich kann wieder an die Heuraufe, guckt der Meister auf und verkündet: „Mit diesem Pferd geht es leider nicht. Es ist ihrer nicht würdig. Sie brauchen ein besseres!“
Oh, ah. Woher nehmen und nicht stehlen? Hastig wird der Lutschi, was unser spanisches Mähnenwunder ist, fertig gemacht. Wieder spielt die Frau Reiterstandbild. Der Lutschi nutzt die Zeit für ein Schläfchen. Der Meister betrachtet beide ganz versunken, bis auch ihm die Augen zufallen. Irgendwann erwacht er von seinem Nickerchen aus seiner Trance und spricht von einem besonderen Bewusstseinszustand, in den ihn die Frau mit dem Lutschi versetzt hat. „Ich habe Gott gesehen und eine Zeitlang waren wir eins“, erklärt er bescheiden. „Alle Seelen werden sich vereinigen, und die Pferde weisen uns den Weg dahin. Aber Sie brauchen ein besseres Pferd! Auch dieses Pferd ist ihrer Kunst nicht würdig. Sie brauchen“ – er verstummt und schließt die Augen. Die Frau wartet gespannt. „Ja, jetzt wird das Bild klarer. Sie brauchen …. Ohhhh. Ahhhh. Jaaaaa.“ Wieder Stille. „Eine Künstlerin wie sie braucht eine besondere Pferdepersönlichkeit, die die Schwingungen ihrer Seele in reine Göttlichkeit übersetzt. Sie brauchen Don Meloni.“
Ein Zeichen! Das ist ja ein Zeichen! Gerade den Don Meloni war die Frau im meisterlichen Reit-Retreat so wunderbar geritten.
„Er ist natürlich unverkäuflich“, schränkt der Meister ein.
„Natürlich“, seufzt die Frau.
„Aber für Sie würde ich einen besonderen Preis finden.“
„Das würden Sie für mich tun?“ Ihre Augen leuchten.
„Nur für Sie, Madame.“ Er schenkt ihr einen seelenvollen Blick.
Wenig später: „Also der Don Meloni und du, ihr konntet ganz göttlich rumstehen und jetzt kostet er den Gegenwert von einer Niere und zwei mittelgroßen Goldbarren?“, vergewissert sich der Mann, der das Ganze finanzieren soll.
„Du hast ja keine Ahnung vom Göttlichen“, antwortet die Frau und möglicherweise hat sie damit recht. Ich bin auf jeden Fall froh, dass ich den spirituellen Sattel Marke „One size fits no one“ nicht mehr tragen muss 😛
Bild: Pixabay
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