„Ach guck, so kann man es auch machen“, denkt die Frau, meine sogenannte Besitzerin, als sie die neue Einstallerin mit ihrem Pferd in der Reithalle beobachtet. Amadeus ist groß und sportlich, seine Reiterin auch. Die Frau und ich sind ja beide mehr barock veranlagt. Auf den ersten Blick sieht das auch ganz schön aus, was die beiden da so treiben. Amadeus‘ Kopf ist an der Senkrechten, manchmal auch leicht dahinter, und Frau Amadeus ist sitztechnisch so gut, dass sie die Sporen kontrolliert einsetzen kann. Beim zweiten Blick erkennt man, dass Frau Amadeus muskulöse Oberarme und mindestens zehn Kilo in jeder Hand hat, die Anlehnung also nicht ganz so federleicht ist, wie unsere Frau Reitlehrerin das gern hätte. Die Übergänge klappen erst im dritten Anlauf und Amadeus wird im Verlauf der Reiteinheit auch nicht immer besser, sondern immer schlechter, bis er irgendwann müde ist und sich Frau Amadeus durchsetzt. Denn die gezeigte Reiterei hat etwas von einer Diskussion, bei der die Wellen immer höherschlagen, bis schließlich einer gewinnt. Ab dann verkriecht sich Amadeus hinter der Senkrechten. „Ich reite klassisch, da muss das so“, erklärt Frau Amadeus auf Nachfrage.
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Ganz anders bei Lilifee, der dicken korpulenten kräftigen Ponystute, die sich in Zeitlupe fortbewegt und laut ihrer Besitzerin auch klassisch geritten wird. „Versammelt, gell“, strahlt Frau Lilifee. „Nein, nur langsam“, lächelt Frau Reitlehrerin, die soeben dazugekommen ist. Aber dafür hat Frau Lilifee nichts in der Hand und beide machen einen sehr entspannten Eindruck. Nach jeder Übung wird Lilifee gelobt und erhält ein Leckerli. Lilifee bekommt regelmäßige Schrittpausen am hingegebenen Zügel. Außerdem ist sie zum Lösen am langen Zügel getrabt und hat sich da oft und gern nach vorwärts-abwärts abgestreckt. Zwischendurch wird auch mal flott galoppiert. Also für Lilifees Verhältnisse, die ist nämlich ganz grundsätzlich gemütlich unterwegs.
Und dann ist da noch Belladonna, deren Kopf kunstvoll und permanent nach oben gezuppelt wird. „Weil doch das Genick in der klassischen Reiterei der höchste Punkt sein muss“, erklärt Frau Belladonna. Das hat auch die Frau, meine sogenannte Besitzerin, schon mal gehört. Trotzdem sieht Belladonnas Haltung irgendwie ungesund aus. Soviel Unterhals – und muss der Rücken so nach unten weggedrückt werden? Und das ist also auch klassisch, wundert sich die Frau.
Weil ihr das auf die Dauer keine Ruhe lässt, wird Frau Reitlehrerin hierzu befragt. Die erklärt: „Die eine klassische Reiterei gibt es nicht. Zu fast jeder Zeit gab es mehrere Reitmeister, deren Auffassungen oft nicht deckungsgleich waren. Seit dem 16. Jahrhundert gab es die italienische Schule, dann im 17. Jahrhundert die französische, die deutsche und die österreichische Schule, deren Vertreter in den Fürstenhäusern tätig waren. In manchen Dingen stimmten sie überein, in anderen wieder nicht. Historisch gesehen hat sich die Reiterei aus dem bewaffneten Kampf heraus immer weiterentwickelt. Die Barockreiterei wurde im 17. Jahrhundert von den Königen und Adligen betrieben, die sich diesen Luxus leisten konnten. Später wurde der Einfluss des Militärs wieder stärker und man brauchte eine Methode, in der viele Männer und Pferde schnell ausgebildet werden konnten, um in der Kavallerie eingesetzt zu werden. Parallel gab es aber immer auch andere Strömungen. Nach dem zweiten Weltkrieg sah es eine Zeitlang so aus, als würde die Reiterei aussterben, bis die Sportreiterei immer präsenter und wichtiger wurde und bis sich das Reiten zum Breitensport entwickelt hat. Und wenn sie nicht gerade westernreiten, sagen alle, dass sie klassisch reiten und berufen sich auf Vorbilder aus der Vergangenheit.“
„Aber manche haben so schöne Sättel und so schöne Outfits, das sieht besonders edel aus“, erwähnt die Frau sehnsüchtig.
„Ein Sattel muss in erster Linie passen, die Optik ist zweitrangig“, lächelt Frau Reitlehrerin. „Und besondere Outfits oder besondere Trainerlizenzen dienen oft nur der besseren Vermarktung.“
„Immer geht es nur ums Geld“, staunt die Frau, und ich glaube, sie ist da einer großen Sache auf der Spur.
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