Die Frau, unsere sogenannte Besitzerin, ist ja nach eigener Ansicht ein Naturtalent. Im Rumsitzen auf uns, im Umgang mit uns, ach, mit eigentlich allem. Und wenn was nicht klappt, ist es immer die Schuld vom spanischen Mähnenwunder und von mir. Manchmal auch vom Mann. Das ist gerecht aufgeteilt, weil so jeder mal drankommt. Frau Reitlehrerin sieht das anders. Frau Reitlehrerin ist der Ansicht, dass da in mancherlei Hinsicht noch Luft nach oben ist. Zum Beispiel bei der Kommunikation.
Beispiel: Der Lutschi, was ja unser spanisches Mähnenwunder ist, macht seinem Namen alle Ehre und will alles mit dem Maul erkunden. Findet die sogenannte Besitzerin so semi und gibt ihm einen Klaps auf die Nase. Worauf der Lutschi mit neuerlichem Schnappeln reagiert. Findet die sogenannte Besitzerin immer noch doof. Also: Noch ein Klaps aufs Maul. Der Lutschi schnappelt weiter. Bis Frau Reitlehrerin dazukommt und der Frau erklärt, dass ihr Aufs-Maul-Klapsen für unsereinen eine Aufforderung zum Spiel ist, deshalb das Schnappeln. Der neue Klaps ist eine Bestätigung: Ja, wir spielen Jungs-Spiele mit dem Maul. Die sogenannte Besitzerin staunt. Und dann fällt ihr ein: Ich hab doch da mal ein Buch gelesen, wie hieß es noch – ach ja: Sprachkurs Pferd.
Vielleicht solltest du da nochmal reinschauen, schlägt Frau Reitlehrerin vor. Es gibt jetzt auch ein Trainingsbuch dazu.
Vielleicht sollte ich das wirklich, denkt die sogenannte Besitzerin. Oder ich kaufe direkt das neue Buch. Da sind ja immer viele Fotos drin und es ist quasi selbsterklärend. Also nicht, dass ich das brauche, aber ich will ja so gut wie Frau Reitlehrerin werden. Mindestens. Und zack, gekauft.
Aber hier erstmal die Eckdaten:
Sprachkurs Pferd – Das Trainingsbuch
Sharon Wilsie
Verlag: Kosmos
312 Seiten mit vielen Fotos
44,00 EUR
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Was soll ich sagen – das Buch ist verflixt inhaltsreich, so dass man sich da schon Zeit nehmen muss – einerseits, um die ganzen Informationen zu verarbeiten, andererseits, um sie anzuwenden. Denn es ist vor allem eins: ein Trainingsbuch. Also der Aufbaukurs zum Sprachkurs Pferd. Weshalb die sogenannte Besitzerin auch ganz froh ist, dass sie das schon gelesen hat. Oder zumindest die Bilder angeguckt, bei ihr bin ich mir da nie so sicher.
Egal. Nach einer Einleitung, in der man schon mal eine Ahnung bekommt, worum es geht und wie das Ganze funktioniert, folgt eine Gebrauchsanweisung für das Buch, in der Sharon Wilsie den Aufbau des Buchs vorstellt. Da geht es erstmal um grundlegende Sprachkenntnisse, das wichtige Thema Beobachten (die Pferde und sich selbst!) und die unterschiedlichen Buttons. Das sind Kommunikationspunkte auf dem Pferdekörper, die einzeln oder miteinander verbunden Gespräche ermöglichen. Weiter geht es mit der Herdendynamik und den unterschiedlichen Pferdepersönlichkeiten sowie den Rollen, die sie in der Herde einnehmen.
Ah bah, kennt man ja, Leithengst und Schluss, meckert die sogenannte Besitzerin. Ja Pustekuchen. Es gibt den Mentor, den Lehrer, den Wächter, den Kartenmacher, das Sandwich-Pferd und noch viele mehr, aber ich kann ja hier nicht alles verraten. Das müsst ihr schon selbst nachlesen.
Was auch wichtig ist: sich selbst zu beobachten. Damit ist man eigentlich schon ganz gut beschäftigt, vor allem, wenn man – wie die sogenannte Besitzerin – eher der Typ ADHS-krankes Eichhörnchen ist. Wenn man da nämlich so am Beobachten ist, vergisst man schon mal das Atmen und vermittelt nicht unbedingt den Eindruck einer Persönlichkeit, die in sich ruht. Zero nennt die Frau Wilsie diesen Gemütszustand, den es anzustreben gilt und der für die sogenannte Besitzerin so weit entfernt ist wie der Lutschi von der abgeschlossenen Futterkammer.
Weiter gehts im Buch. Da erfährt die sogenannte Besitzerin, dass Pferdegespräche auf eine bestimmte Art und Weise verlaufen. In Sprachkurs Pferd wurde das Begrüßungsritual vorgestellt. Jetzt wird das Ganze in einen größeren Zusammenhang gestellt, denn man begrüßt sich ja nicht die ganze Zeit. Trotzdem gibt es bestimmte Kommunikationsregeln, die eingehalten werden. Und wie fängt man überhaupt so ein Gespräch mit einem fremden, möglicherweise aggressiven Pferd an? Das ist dann quasi das Kapitel über Ferngespräche, denn natürlich funktioniert Horse Speak auch auf die Entfernung. Man muss sich sehen können, dann kann man sich auch verständigen. Ich wusste das natürlich schon, aber für die sogenannte Besitzerin war das doch eine Überraschung.
Überhaupt kann man mit Horse Speak alle Bereiche verbessern, in denen man mit dem Pferd Umgang hat – longieren, Freiarbeit und auch eine andere Sichtweise auf das Reiten ist möglich. Alles sehr spannend und sehr gut erklärt. Trotzdem konnte die sogenannte Besitzerin das Buch nur häppchenweise lesen, weil ihr kleines Gehirn mit so viel Input nicht umgehen kann. Ist vielleicht nicht das Schlechteste, denn so kann sie sich an neue Ideen gewöhnen und während des Lesens immer schön üben.
Pro: Horse Speak ist weniger eine Sprache als eine neue und schöne Herangehensweise, die sich auf alle Bereiche auswirkt, in denen man mit Pferden zu tun hat, denn wie hat mal ein kluger Mensch gesagt: „Man kann nicht nicht kommunizieren“. Ein großartiges Buch mit profunden Erkenntnissen.
Contra: Nur eine Kleinigkeit. Die „Feuerübung“, die im Buch oft angesprochen wird, wäre vielleicht besser mit „Brandschutzübung“ oder „Probealarm“ übersetzt worden. Gemeint ist eine Verhaltensweise von Pferden, bei der es auf bestimmte Bewegungsabläufe und Wege ankommt. Sonst hab ich nix zu meckern.
Für wen geeignet: Für alle, die besser mit Pferden kommunizieren und sich dabei selbst was Gutes tun wollen, denn bei dieser ganzen Beobachterei und Wahrnehmerei kommt man als Mensch schon ordentlich zur Ruhe. Absolute Kaufempfehlung für eine bessere Pferdewelt!
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