„Warum lässt du denn den Pfridolin hier grasen? Und sitzt ohne Sattel und Trense auf ihm?“
Fragen über Fragen, die ich gerade nicht beantworten kann, weil ich endlich mal ungestört zum Grasen komme, OBWOHL die sogenannte Besitzerin dabei ist. Die sitzt, wie man schon vermuten konnte, auf mir rum, aber ausnahmsweise fällt sie mir nicht zur Last. Sorry, schlechtes Wortspiel, musste aber sein.
Wie sich schnell herausstellt, spricht Frau Reitlehrerin auch nicht mit mir, sondern mit der Frau, die irgendwas von „Freestyle“ nuschelt und von „Reiten mit der Kraft meiner Gedanken.“
Ja, genauso habe ich auch geguckt. Frau Reitlehrerin hat ihre Gesichtszüge aber besser im Griff. Und dabei fing alles ganz normal an. Wobei, was ist bei uns schon normal, wenn die sogenannte Besitzerin alle fünf Minuten ein neues Leben anfangen will 😛 Jetzt gerade hat sie sich überlegt, dass sie doch nicht mehr Dressur-Queen sein will, sondern natürlich und harmonisch und vor allem mit der Kraft ihrer Gedanken reiten will. Nahtlos von Isabell Werth zur magischen Natur-Reiterin ohne alles, das kann nur die Frau. Und dazwischen kennt sie nix. Wobei: So ganz grundsätzlich ist gegen natürlich und harmonisch nichts zu sagen. Also weg mit dem Dressursattel! Und die fiese Trense mit dem Bling-Bling brauchen wir auch nicht mehr. Weiters werden Sporen und Kandare vom Einkaufszettel gestrichen. Unter uns: Dafür war sie eh zu grobmotorisch, aber wenn man sich selbst aktiv und als Statement dagegen entscheidet, fühlt man sich doch gleich besser. Irgendwie magisch und naturverbunden nämlich.
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Und wie soll nun das magische und naturverbundene Reiten stattfinden? Wegen mir gar nicht, aber die sogenannte Besitzerin möchte sich partout wie eine Komantschenprinzessin fühlen und über die Prärie galoppieren. Spitzfindige Gemüter könnten vermuten, dass die Komantschenprinzessin so an ihrem Sitz und ihrer Einwirkung arbeiten will, dass sie wohlüberlegt und dosiert einwirkt, Stichwort: Hierarchie der Hilfen und so, und vor allem aufhört, dauernd am Zügel rumzuzuppeln. Und apropos Natur: Es hat mir auch keiner an der Wiege gesungen, dass ich stundenlang im Kreis rumrennen muss, bisschen geradeaus wäre auch mal schön. Wer also jetzt an physiologisches Training mit feiner Hilfengebung denkt, hat meine volle Sympathie, aber unrecht. Denn was die Frau jetzt tut, ist besser – wartet ab.
Sattel und Trense brauchen wir ja nun nicht mehr, stattdessen bekomme ich ein Reitpad auf den Rücken. „Vielleicht ein Knotenhalfter oder eine indianisch inspirierte Trense?“, fragt der Mann, der bei den Metamorphosen der sogenannten Besitzerin assistieren muss. „Ohne sieht auf Fotos besser aus. Auf Insta hat das auch keiner“, winkt sie ab und klettert an der Aufsteighilfe auf meinen Rücken. Eins ist klar: sie war wieder an den Beruhigungskräutern in der Futterkammer, und die sind ihr nicht bekommen. Denn nun schließt sie die Augen und summt. Besorgt erkundigt sich der Mann, der uns bis hierhin begleitet hat, ob alles in Ordnung ist.
„Ich verbinde mich mit dem Pfridolin. Bitte nicht stören“, erklärt sie hoheitsvoll.
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Aha. Also ich merk noch nix. Ich warte mal ab, ob sonst noch was passiert. Aber es folgt keines der mir bekannten Signale. Stattdessen gibt es Gras. Viel Gras. Wer hätte das gedacht, dass hier am Reitplatz so viel wächst, denke ich mir und stelle fest, dass man ohne Trense viel besser essen kann als mit. Die Frau verbindet sich immer noch. Ich esse weiter und orientiere mich Richtung Weide. „Wunderbar harmonisch“, säuselt die Frau verträumt, als ich mich Richtung Wald durchs Gras fräse. Und da begegnet uns schließlich Frau Reitlehrerin, die sich einen kleinen Feierabendausritt gönnt und sich nun interessiert nach den aktuellen Plänen der Frau erkundigt, denn, das weiß auch sie, die ist immer für eine Überraschung gut.
Die Frau erzählt von Freestyle und Mindset und kosmischer Harmonie.
„Also kein Reitunterricht nächste Woche?“, fasst Frau Reitlehrerin zusammen.
„Nein, dieses ganze Dressurreiten ist unschön und böse. Kosmische Harmonie visualisieren ist viel besser“, erwidert die sogenannte Besitzerin.
„Wie kommst du denn gleich kosmisch-harmonisch nach Hause?“
„Ich visualisiere das. Mit meinem tollen Mindset“, antwortet die Frau.
„Aha“, staunt Frau Reitlehrerin.
„Schließlich machen ALLE das“, sagt die Frau und reißt die Augen weit auf. „Diese vertikalen Reiter haben sogar eine eigene Reitschule, wo die sich vorstellen, sie würden toll reiten, und wer ihnen widerspricht, wird verbannt. It`s all about mindset, you know.“
„Ach, na wenn das so ist“, erwidert Frau Reitlehrerin tiefenentspannt und wendet ihren Dieter ab. Dieter merkt, dass es Richtung Stall geht und beschleunigt seine Schritte. Ich schließe mich sicherheitshalber an, nicht, dass ich die Nacht allein hier draußen verbringen muss, mit der Irren im Kreuz!
„Kommst du doch mit?“, lächelt Frau Reitlehrerin. Die Frau stutzt kurz, denkt dann kosmisch-harmonische Gedanken und lügt: „Na klar, das habe ich so visualisiert.“
Dieses entspannte Rumstehen und Grasen hat was. Ich könnte das jeden Tag machen. Aber Frau Reitlehrerin erzählt gerade was von Gymnastizieren und gesunderhaltend Reiten und dem kosmisch-harmonischen Mittelweg zwischen Dressur-Queen und Komantschenprinzessin und ich fürchte, das wars fürs erste mit dem süßen Leben 😛
Bild: Reiten wird total überbewertet. Fragt mich, ich kenne mich aus.
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