„Auf den Zirkel geritten!“, ruft Frau Reitlehrerin fröhlich und meine Reiterin (nicht fröhlich, wir kennen sie) wendet mich ab, auf eine eierige Umlaufbahn, deren Mittelpunkt Frau Reitlehrerin bildet. Die beobachtet uns kurz und stellt fest: „Du knickst in der Hüfte ein.“
„Wer, iiiiiich?“ Die sogenannte Besitzerin fühlt sich nicht angesprochen. Sonst ist aber keiner in der Halle.
„Ja, du ziehst die rechte Schulter hoch und knickst links in der Hüfte ein“, erklärt Frau Reitlehrerin hilfsbereit. „Dadurch gibst du dem Pfridolin eine falsche Gewichtshilfe.“
Jaja. Die Frau winkt ab. Sie will Reitkunst treiben und keine blöden Sitzkorrekturen. Albern ist das. Sie ist ja schließlich keine Anfängerin mehr.
„Einknicken in der Hüfte ist übrigens der häufigste Sitzfehler“, teilt Frau Reitlehrerin ergänzend mit, was aber nicht zur Aufheiterung meiner Reiterin beiträgt. „Die Ursache dafür sind oft muskuläre Dysbalancen oder einfach erworbene Fehlhaltungen. Man gewöhnt sich eine schiefe Haltung an und merkt gar nicht mehr, dass man schief ist. Aber zum feinen Reiten gehören korrekte Hilfen. Auch korrekte Gewichtshilfen! Nimm doch mal die Zügel in eine Hand und lenk den Pfridolin nur über deinen Sitz!“
Gesagt, getan. Schneller als Frau Reitlehrerin gucken kann, verabschiede ich mich von der Zirkellinie, die man vorher schon nur mit viel gutem Willen erkennen konnte.
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„Durch dein Einknicken links denkst du, du würdest vermehrt links sitzen. Tatsächlich wird dein Gewicht auf die rechte Seite umgeleitet und du belastet vermehrt den rechten Sitzbeinhöcker. Das kannst du übrigens auf einem Stuhl oder einem dieser großen Gymnastikbälle schön nachfühlen.“
Das hört sich so an, als wüsste Frau Reitlehrerin, wovon sie spricht. „Und was hilft dagegen?“, erkundigt sich die Frau, nun doch interessiert.
„Turnen und deine seitliche Rumpfmuskulatur stärken“, schlägt Frau Reitlehrerin mit einem strahlenden Lächeln vor.
„Ja super“, muffelt die sogenannte Besitzerin. „Und jetzt mal im Ernst?“
Natürlich kennt Frau Reitlehrerin auch Übungen, die man auf dem Pferd machen kann. O Gott, schon wieder Turnstunde, denkt die Frau und sagt: „Aber wehe, einer guckt!“
Frau Reitlehrerin lächelt unbeirrt weiter und lässt die Frau (und mich) erstmal antraben. Dabei soll sie den Oberkörper abwechselnd nach rechts, zur Mitte, nach links und wieder über die Mitte nach rechts drehen. Und so weiter, ihr könnt es euch bestimmt vorstellen. „An der Longe könntest du das schön mit ausgebreiteten Armen machen, da bekommst du auch ein anderes Gefühl für die Schulterdrehung“, sinniert Frau Reitlehrerin und die Frau kriegt allein beim Gedanken an eine Sitzlonge Schnappatmung.
Weshalb sie eine Schrittpause bekommt und Gelegenheit, in ihren Körper hineinzuspüren. Es tut sich aber noch nix, teilt sie mit.
„Dann stell dir vor, an deinem Hinterkopf ist ein Fädchen befestigt, dass dich nach oben zieht“, teilt Frau Reitlehrerin mit.
Die Frau gibt vorstellungstechnisch alles und sitzt tatsächlich aufrechter. Aber Frau Reitlehrerin ist noch nicht fertig. „Und jetzt streckst du deinen linken Arm nach oben aus und tust so, als würdest du Äpfel pflücken. Du machst den Arm ganz lang und reckst dich nach oben, damit du an die Äpfel kommst.“
Die Frau verzieht das Gesicht, aber jetzt ist es eigentlich auch egal. Auch wenn diese Turnerei eigentlich unter ihrer Würde ist, wie sie uns mitteilt.
„Das ist schon viel besser“, findet Frau Reitlehrerin. Die Frau selbst hat das Gefühl, sie wäre um einen halben Meter gewachsen, und ich finde ihr Gewicht endlich einmal gleichmäßig verteilt. Und damit das so bleibt, hat Frau Reitlehrerin ein weiteres inneres Bild für meine Reiterin.
„Stell dir vor, du sitzt auf einem dieser großen Gymnastikbälle. Wenn du rechts in der Hüfte einknickst, schiebst du den Ball nach links und umgekehrt. Versuch, ganz zentriert zu sitzen und den Ball unter dir zu behalten“, schlägt sie vor.
„Aha“, kommentiert die Frau genervt. „Du weißt aber schon, dass ich eigentlich Piaffe reiten will?“
„Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut“, antwortet Frau Reitlehrerin und lobt die Frau, weil sie an ihrem Sitz arbeiten will. Wusste die zwar noch nicht, aber Lob ist immer gut. „Du sitzt jetzt viel gestreckter und aufrechter, und das Einknicken in der Hüfte war zwischendurch verschwunden“, findet Frau Reitlehrerin.
„Und was mache ich, damit das so bleibt?“, fragt die Frau.
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„Bewusstseinserweiternde Übungen“, antwortet Frau Reitlehrerin und will sich ausschütten vor Lachen, als sie das entsetzte Gesicht der Frau sieht. Hör mir auf mit dem Eso-Scheiß, denkt die, ist aber doch neugierig. Auf entsprechende Nachfrage bietet Frau Reitlehrerin eine Sitzkorrektur ohne Pferd an, auf einem Stuhl. Was man zum Beispiel im Büro problemlos nachmachen kann und so die Arbeitszeit sinnvoll nutzt. Die Frau ist nicht abgeneigt.
Und so bringt sie mich in den Stall, wo ich schonmal den Feierabend einläute, während sie nachsitzt. Auf einem Stuhl im Reiterstübchen nämlich. Dort wird sie von Frau Reitlehrerin so ausjustiert, dass sie ganz gerade sitzt.
„Das ist aber unbequem“, beklagt sie sich.
„Ja, weil du dir angewöhnt hast, die rechte Schulter hochzuziehen. So fühlt es sich an, wenn du ganz gerade sitzt.“
„Aha“, kommentiert die Frau wenig begeistert.
„Merk dir das Gefühl und versuch, dich selbst zu korrigieren, so oft es geht“, beendet Frau Reitlehrerin die Sitzung.
„Jaja“, erwidert die Frau und wir alle wissen, was das heißt 😉
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