„Linke Hand hat Vorfahrt. Oder?“ Die Frau sieht sich zweifelnd um. Wir sind seit längerer Zeit das erste Mal wieder mit anderen zusammen in der Halle, und wenn man das Kurzzeitgedächtnis einer Eintagsfliege hat, ist das manchmal unpraktisch und führt zu eigenartigen Situationen. Und vor allem: wo ist nochmal dieses Links, von dem alle sprechen?
Mit in der Bahn: Susi Sorglos mit Killermaschine Horsti, der in der Rangordnung einen schönen Sprung nach oben getan hat und deshalb im Umgang unausstehlich ist. Susi kichert und kann die Frage nicht zweifelsfrei beantworten. Ist aber auch egal, weil jedes andere Pferd dem Horsti freiwillig aus dem Weg geht, gern unter Einhaltung eines großen Sicherheitsabstandes.
Also soweit alles easy. Horsti hat Vorfahrt, wo auch immer er ist und was auch immer er tut. Die Frau konzentriert sich und wir schaffen mehrere Runden ohne Beinahe-Kollision. Bis das Schicksal seinen Lauf nimmt, und zwar in Gestalt von Frau Ehrgeizig mit ihrem Dressurkracher Heinzi.
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„Tür frei, bitte!“, erschallt es und die anwesenden Reiterinnen schaffen es gerade noch, unter Gekicher „Ist frei!“ zu antworten. Weil ist ja uncool, gell. Meine sogenannte Besitzerin strebt zwar grundsätzlich nach Höherem, sprich: Piaffe, aber auf coole Art, wie sie der erstaunten Susi darlegt. Nicht so verkrampft wie diese Sportstreber, sondern elegant. Reiten wäre ja schließlich Kunst, siehe die Wiener Hofreitschule.
Aha. Da fällt auch der Susi nix mehr zu ein. Mir dagegen fällt so einiges ein, zum Beispiel, dass Kunst von Können kommt und die Frau somit Lichtjahre von Reitkunst entfernt ist. Aber ich bin ja hier nur das Pferd und hab eh keine Ahnung.
Da sich nun leider mehrere Reiter in der Halle befinden und sich diese nicht vor der Frau teilen wie einst das Meer bei Moses, muss sich die sogenannte Besitzerin Gedanken über die Bahnregeln machen. Es gibt sie, daran kann sie sich dunkel erinnern.
„Bitte den ersten Hufschlag im Schritt freimachen“, teilt Frau Ehrgeizig mit. Stimmt, da war doch was.
Gemächlich bewegen wir uns Richtung zweiter Hufschlag, bis die Frau genug Traute hat, mich anzutraben. Da die Rechts-Links-Vorfahrt-Frage immer noch ungeklärt ist, schlagen wir einen Kurs ein, den man mit viel Wohlwollen als „zirkelartig“ bezeichnen könnte.
„Ganze Bahn hat Vorfahrt vor Zirkel“, teilt Frau Ehrgeizig mit, die mitsamt Heinzi vor uns aus dem Boden gewachsen ist.
Mürrisch wendet die Frau ab und beschließt, sich einfach an Frau Ehrgeizig dranzuhängen. So erfährt sie auch, dass man rechts aneinander vorbeireitet. Wie beim Autofahren, eigentlich. Und dass somit Frau Ehrgeizig Vorfahrt hat, weil sie auf der linken Hand ganze Bahn geht. Also auch wir, denn wir verfolgen sie immer noch. Bis ich dann mal stehenbleibe und den Schweif hebe. Frau Ehrgeizig hat offensichtlich Augen im Rücken, denn von ihr kommt ein „Bitte abäppeln!“
Die Frau macht ein langes Gesicht und will absitzen, aber Frau Ehrgeizig informiert sie darüber, dass Auf- und Absitzen auf der Mittellinie stattfindet. Killermaschine Horsti hört interessiert zu und will Dressur-Heinzi auffressen, als er vorschriftsmäßig rechts an ihm vorbeigeht. Woraufhin Frau Ehrgeizig dasselbe mit Horstis Reiterin machen will.
Die Frau äppelt währenddessen brav die Halle ab und will sich wieder auf meinen Rücken schwingen.
Auf- und Absitzen auf der Mittellinie, teilt Frau Ehrgeizig mit. „Oder an der Aufsteighilfe“, verkündet die Frau. „Ecke frei, bitte!“
Herrlich, diese Bahnregeln. Und dieser zivilisierte Umgang miteinander.
Aber was sie eigentlich meint, ist „Halle frei, bitte!“ 😛
Bild: Meine Meinung zum Thema.
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