„Und? Was macht die Stallsuche?“, erkundigt sich die Frau, während sie an mir herumschrubbt. Gefühllos, wie das so ihre Art ist. Ich möchte das an dieser Stelle mal anmerken.
„Oh, die ist … dynamisch“, kichert die Angesprochene. Es handelt sich um Horstis Besitzerin. Horsti steht neben mir am Anbinder und wird ebenfalls geputzt, aber auf deutlich zartfühlendere Art, wie ich neiderfüllt feststelle.
„Wieso denn das?“
„Na ja, die Stallbesitzer sind schon komisch. Der eine zum Beispiel. Da hab ich angerufen, weil er freie Boxen inseriert hat. Am Telefon hat er mich erst mal angeschnauzt, weshalb ich ihn anrufe und nicht das Mädchen, dass sich bei ihm darum kümmert.“
„Weil seine Telefonnummer bei der Anzeige steht, nehme ich mal an.“
„Genau. Und dann wollte er von mir wissen, warum ich überhaupt ein Pferd habe, die Biester würden doch nur Arbeit machen.“
„Wo er recht hat, hat er recht“, konstatiert die Frau.
„Stimmt, aber davon leben Stallbesitzer ja schließlich, oder?“ Horstis Besitzerin guckt uns beide mit weit aufgerissenen Augen an und wir können gar nicht anders, als zustimmend zu gucken (ich) und zu nicken (die Frau). „Aber ich hatte auch schon das Gegenteil“, erinnert sich Horstis Besitzerin. „Die Glucke. Da durfte man nichts ohne Aufsicht machen und musste für alles um Erlaubnis fragen. Ein Wunder, dass ich alleine Horstis Hufe auskratzen durfte!“
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„Sowas kenn ich auch“, fällt der Frau ein. „Also sowas Ähnliches. Eng verwandt mit der Glucke ist nämlich die Primadonna. Die will auch alles kontrollieren, aber zusätzlich hofiert werden und ist zudem launisch.“ Aus Versehen hat die Frau mit dem Striegel eine gute Stelle erwischt. Meine Oberlippe wird lang und länger. „Weitere gängige Stallbesitzer-Typen sind der Chaot und der Unsichtbare“, zählt die sogenannte Besitzerin währenddessen auf. „Der Chaot ist der, für den es jeden Tag aufs Neue überraschend ist, dass er Pferde beherbergt. Und dass die Futter wollen!!! Und Wasser auch!!! In der Regel hat er kein Personal, weil er da ja dran denken müsste, es zu bezahlen. Meist ist die Stallmiete günstig. Man braucht aber gute Nerven und muss zur Not selbst füttern und auch schon mal selbst Heu kaufen.“
Am besten ist der Unsichtbare, da sind sich meine und Horstis Besitzerin einig. Der Unsichtbare hat Personal, das für ihn die Drecksarbeit macht. Ihn selber sieht man nie, aber dafür geht er auch nicht ans Telefon. Wenn es irgendwas zu besprechen gibt, erledigt man das mit dem Stallpersonal, das aber meist im Endstress ist. Also macht man es am liebsten selbst, weil man dann auch keinen anderen bitten muss, zu kontrollieren, ob Heinzi die Abschwitzdecke ausgezogen bekommen hat oder ob Esmeralda die Hufglocken trägt.
Die Frau schabt und kratzt an meinem zarten Fell herum. „Bist du denn noch auf Stallsuche?“, fragt sie Horstis Besitzerin.
Die antwortet: „Also ich hab mir überlegt, dass Horsti doch nicht umziehen soll. Der ist ja so sensibel, dem geht’s hier am besten.“
Dieser plötzliche Sinneswandel ist wahrscheinlich auf Frau Reitlehrerins Einfluss zurückzuführen. Die gibt ja nicht nur Reitunterricht, sondern behandelt menschliche Wissenslücken und Probleme gleich mit. Und die hat dem Horsti bescheinigt, dass er sehr gut mit der optisch nicht mehr ganz so ansprechenden Futterkrippe auskommt. Was ja damals der Grund für die Stallsuche war.
„Wer beruflich mit Pferden zu tun hat, kann ja nicht ganz normal sein“, fällt der Frau auf und Horstis Besitzerin pflichtet ihr bei: „Stallbesitzer sind alle verrückt, oder?“
Und Pferdebesitzerinnen sind durch die Bank blitzgescheite, liebe Menschen mit einem intakten Urteilsvermögen, die einem nicht auf die Nerven gehen. Und nett sind die. Und haben alle einen schönen Charakter. Und lästern tun die niiiiieeee.
Fragt Horsti und mich, wir kennen uns aus.
Bild: Sehr arm und ausgebeutet.
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