„Der Horsti möchte das nicht. Pferde sind sensible Geschöpfe, die darf man nicht so behandeln“, erklärt die Frau, als Horstis Besitzerin selbigem einen Klaps auf die Nase gibt, weil sich Horsti mit seinem kindersarggroßen Kopf an ihrer Schulter schubbeln will und sie dabei fast umwirft. „Oh oh“, fügt sie hinzu.
„Was denn?“, fragt Horstis Besitzerin.
„Dem geht’s gar nicht gut. Guck nur mal die Augen.“
„Ach?“ fragt Frau Horsti und verrenkt sich, um Horsti in die großen Glotzaugen zu spähen, was nicht so einfach ist, weil sich Horsti den Kopf gerade am Bein kratzt.
Abgrundtiefes Seufzen ist die Antwort. „Das merkt halt nicht jeder. Es ist eine Gabe, die nur wenige haben.“
Frau Horsti guckt verständnislos. Horsti ist fertig mit Kratzen und latscht tiefenentspannt in seine Putzkiste. Bestimmt, weil er was an den Augen hat, wie die Frau mutmaßt. Horsti selbst kann zur Wahrheitsfindung nichts beitragen, weil er ratzfatz eingepennt ist.
Kurze Erklärung: Wir kennen die erstaunliche Meinungsflexibilität meiner sogenannten Besitzerin. Gestern noch Möchtegern-Dressurqueen, heute Pferdeversteherin. Oder noch besser: Pferde-Anwältin. Gerade ist sie auf Patrouille in der Stallgasse unterwegs und ihre Augen blitzen zugleich streitlustig und einfühlsam, was für unbefangene Betrachter wie Schielen aussieht.
Ein paar Schritte weiter gibt es erneuten Handlungsbedarf.
* Ich kann auch Bücher!
„Der Klausi möchte das nicht“, übersetzt sie hilfsbereit, als Klausi sein gelbes Gebiss bleckt, um dem Schmied in den Hintern zu beißen. Komischerweise freut sich der Schmied nicht über diese Information. Er antwortet relativ unsachlich und die Frau denkt laut darüber nach, das Veterinäramt einzuschalten. Worauf der Schmied in haltloses Gelächter verfällt und die Frau sich über die Schlechtigkeit der Welt beklagt unter besonderer Berücksichtigung von Pferdequälern.
Nachdem sie Klausi nicht vor dem Hufbeschlag bewahren kann, wandert sie weiter über die Stallgasse, auf der Suche nach einer anderen zarten Pferdeseele, die von ihr gerettet werden will.
„Der Dieter möchte das nicht“, erklärt sie seiner erstaunten Besitzerin, die gerade dabei ist, ihn mit Fliegenspray einzusprühen. „Guck mal, der ist ganz blockiert. Wahrscheinlich ist es das Ilio-Sakral-Gelenk.“ Dieter tritt geistesabwesend nach einer Fliege. „Da, siehst du! Oder es ist Shivering.“
Nachdem sie Dieter diese Spontan-Diagnose dagelassen hat, geht sie weiter zum Lutschi und zu mir. Der Lutschi heißt eigentlich Lucero. Er ist unser spanisches Mähnenwunder und von Beruf Patient. Weshalb er immer mindestens ein Bein weiß eingekleistert hat. Und beliebige andere Körperteile auch. Gerade laboriert er an einem Insektenstich herum, der ganz bestimmt ein Hautausschlag ist. Oder Nesselfieber. Oder Pest.
Gefüttert wird der Lutschi mit Globuli. Weil er ja soooooooo sensibel und empfindsam ist. Da blüht die Frau dann richtig auf und googelt Wundermittel für Krankheitsbilder, die sie im Zweifel eben erst erfunden hat. Ach nein, erspürt. Weil nur sie den siebten Sinn für Pferde hat und so wunderbar einfühlsam ist. Außerdem erspart einem das Patientenversorgen das Reiten und der Tierarzt ist so nett und verständnisvoll.
Die grobmotorischen Verhaltensweisen spart sie sich für mich auf. „Weil der Pfridolin es gern hat, wenn man ihn mit ordentlich Druck putzt. Und reitet.“
Worauf ich ihr mit ordentlich Druck auf den Fuß trete. Und zack, schlechte Laune. Die Frau macht Anstalten, mich gewaltfrei und antiautoritär zu verhauen, als sich Frau Reitlehrerin einschaltet.
„Der Pfridolin möchte das nicht“, erklärt sie freundlich, bekommt aber nur ein Knurren als Antwort. Merkwürdig. Was ist nur mit der gefühlvollen Pferde-Anwältin passiert, die noch vor fünf Minuten die Stallgasse unsicher gemacht hat? Wir werden es wohl nie erfahren.
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