„Warum tun wir das eigentlich?“, fragt die sogenannte Besitzerin, während sie sich zu ihrem rechten Fuß hinabbeugt.
„Damit du lockerer wirst“, antwortet Frau Reitlehrerin. „Und jetzt zur anderen Seite!“
„Nein, das meine ich nicht. Ui, das ist aber schwierig. Moment, ich habs gleich.“ Mit einem Ächzen richtet sie sich wieder auf.
„Sehr gut“, lobt Frau Reitlehrerin. „Und jetzt versuchst du mal, mit deinen Füßen Achten zu zeichnen.“
„Das geht nicht. Dafür sind die nicht gemacht“, verweigert sich die Frau, lässt sich dann aber doch zu einem Versuch überreden. „Nein, ich meine – warum machen wir das eigentlich, diese ganze Quälerei? Turnen auf dem Pferd, sich in der vollen Reithalle zum Affen machen… dieses ganze Reitunterrichts-Gedöns halt?“
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„Wegen der Verantwortung“, antwortet Frau Reitlehrerin. „Und jetzt beschreibst du mit deinem Becken Achten.“
Verrückte Idee, denkt die Frau, gibt sich aber Mühe, das Gewünschte umzusetzen. Ich spiele wie so oft Kirmespony und drehe meine Runden im Schritt um Frau Reitlehrerin herum. Dieses Turnen mag ich am liebsten, weil sich die Frau da zwischendurch aus Versehen entspannt und hinterher deutlich beweglicher ist. Außerdem kann die Frau in der Zeit, in der sie turnt und Frau Reitlehrerin mit ihren Fragen auf den Geist geht, nicht gleichzeitig an Piaffe denken. Das ist auch irgendwie schön.
„Sehr gut“, lobt Frau Reitlehrerin die kümmerlichen Bewegungsbemühungen und fordert: „Und jetzt beschreibst du mit deinem Becken die Achten in die andere Richtung. Wegen der Verantwortung den Pferden gegenüber.“
„Wie jetzt?“ Die Frau ist völlig aus dem Konzept und kurz vor dem Runterfallen. Ich bleibe sicherheitshalber stehen. So ganz will ich es mir mit ihr ja nicht verderben, schließlich hat sie sie Taschen voller Leckerli.
„Das Turnen. Und der Reitunterricht. Wir machen das, damit wir das Pferd so gut wie möglich gymnastizieren können. Und damit wir dieses Ziel erreichen, müssen wir beweglich sein, damit wir das Pferd bei seinen Bewegungsabläufen nicht stören.“
„Ja aber warum muss denn so ein Pferd überhaupt gymnastiziert werden? Die Bewegungsabläufe sind ja aus der Natur, die muss das Pferd nicht extra lernen.“ Die Frau ist im Klugscheißermodus und zudem auf Krawall gebürstet.
„In der Natur tragen Pferde selten einen Reiter. Überhaupt sind Pferde keine Gewichtsträger. Sie können zwar große Lasten ziehen, aber wenig Gewicht tragen. Wenn wir sie reiten, schulden wir es ihnen, dass wir sie dabei nach Möglichkeit gesund erhalten.“
Esoterischer Firlefanz, denkt die Frau. Und was soll bitteschön die Anspielung von wegen Gewichtsträger? Als ob ich dick wäre! Unverschämtheit. „Wie will man überhaupt feststellen, wieviel Gewicht so ein Pferd natürlicherweise tragen könnte?“, fragt sie spitz. „Wo doch in der Natur keiner draufsitzt.“
Frau Reitlehrerin erklärt: „Ein Anhaltspunkt könnte zum Beispiel eine tragende Stute sein, deren Fohlen ein Geburtsgewicht von 50 oder 60 kg hat. Außerdem kommen in der Natur im Verlauf der Jahreszeiten erhebliche Gewichtsschwankungen vor, mit denen der Pferdekörper fertig wird, weil er sich langsam daran gewöhnen kann. So ähnlich ist es beim Reiten auch. Es gibt Studien, die zeigen, dass das Gewicht von Reiter und Sattel zusammen 15-20% des Pferdegewichts nicht überschreiten sollte.“
So genau wollte die Frau das gar nicht wissen. Beleidigt rechnet sie nach, zuckt kurz zusammen und turnt dann unter Frau Reitlehrerins wachsamen Augen mit doppeltem Eifer weiter. „Aber das ist alles schon sehr anstrengend und mühselig“, findet sie.
Für mich auch, aber ich bin ja hier nur das Pferd und hab eh keine Ahnung.
„Aber guck doch mal, was du alles schon erreicht hast und wie sich dein Sitz verbessert hat. Und was du alles allein aus dem Sitz heraus reiten kannst! Übergänge, Seitengänge – sogar ganze Paraden!“
„Eine halbe Piaffe wäre mir lieber“, mault die Frau.
Und da fällt dann sogar Frau Reitlehrerin nichts mehr ein. Ich schätze aber, in den nächsten Reitstunden steht Bodenarbeit auf dem Programm. weil sich die Frau mehr bewegen will. Auch wenn sie davon noch nichts ahnt 😉
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