Immer diese blöden Beine

Die Frau – ihr kennt sie – ist Handwerkerin. Was man mit den Händen machen kann, wird auch mit den Händen gemacht. Alles andere sowieso. Vor allem beim Reiten.

Stellen und Biegen zum Beispiel. Zumindest das, was sie dafür hält. Sie ist ja manchmal schon sehr niedlich in ihrem Realitätsverlust 😉

„Erst das Bein und dann die Hand“, bemerkt Frau Reitlehrerin gerade.

„Mach ich doch“, lügt die Frau, die gerade heftig am Zügel rumzuppelt.

„Die Beine sind übrigens die Dinger, die du gerade hochziehst und in die Pauschen bohrst. Gleichzeitig stocherst du dem Pfridolin mit den ebenfalls hochgezogenen Absätzen im Bauch herum“, erklärt Frau Reitlehrerin hilfsbereit.

Die Frau sieht auf, Mordlust im Blick. „Aber sonst geht der doch nicht vorwärts.“

„Tut er wohl.“ Frau Reitlehrerin frischt ihre (und meine) Erinnerung auf: Das Bein ist nämlich nicht für die Erhaltung der Gangart zuständig, das ist die Aufgabe des Pferdes.

„Geht doch gleich viel besser“, denken wir beide. Sie, weil sie besser zum Sitzen kommt, ich, weil endlich die grässliche Porkelei in meinem zarten Bauch aufhört.

Aber Frau Reitlehrerin ist noch nicht fertig: „Das Bein treibt also nicht, sondern es macht ganz andere, tolle Sachen. Es sorgt zum Beispiel für Stellung und Biegung. Das ist wichtig für …“

„Die Piaffe?“, fragt die Frau sehnsüchtig.

„Für das einhändige Reiten“, spricht Frau Reitlehrerin ungerührt weiter.

Oh! Die Frau macht große Augen. Einhändiges Reiten, natürlich auf blanker Kandare, steht unmittelbar nach der Piaffe auf dem ellenlangen reiterlichen Wunschzettel der Frau.

„Also. Die Stellung.“

„Ja?“, lechzt die Frau.

„Wenn du den Pfridolin nach rechts stellen willst, fragst du erstmal nett mit dem rechten Schenkel an.“

Die Frau kickt drauflos. Ich sehe Frau Reitlehrerin empört an. Die donnert los: „NETT ANFRAGEN, HAB ICH GESAGT! Dafür reicht es, mit der flachen Wade vermehrt Fühlung aufzunehmen.“

„Ach“, murmelt die Frau, mit einem Mal ganz handzahm.

„Im Normalzustand hängen deine Beine wie nasse Lappen am Pferdeleib. Wenn du eine Hilfe geben willst, kuschelst du einfach die jeweilige Wade ein bißchen dran“, wiederholt Frau Reitlehrerin sicherheitshalber.

*

Die Frau seufzt und kuschelt.

„Dann hebst du die stellende Hand…“ erklärt Frau Reitlehrerin weiter. Prüfender Blick zur Frau: „Also die rechte.“

„Jaha“, macht die und nimmt die andere rechte Hand hoch.

„Nur ein kleines bisschen. Und vibrierst mit unteren drei Fingern ganz leise. Und dann hast du die Stellung.“

„Ach“, macht die Frau nochmal. Ganz leise. Und das ist irgendwie schön.

Aber sie wäre nicht die Frau, wenn es nicht in der nächsten Sekunde mit dem „verfluchten fucking Daumendach“ weiterginge, auf dessen Beibehaltung Frau Reitlehrerin besteht. Wenn der Daumen nämlich so lustig dachförmig auf den Zügeln drauf ist, verkrampft sich das Handgelenk nur noch halb so leicht. Also eigentlich gar nicht.

Nachdem auch das Daumendach installiert ist, geht es weiter mit der Biegung.

„Du stellst den Pfridolin, so wie eben“, erklärt Frau Reitlehrerin. „Und dann drehst du dich in die Wendung hinein – beim Zirkel zum Beispiel drehst du dich in Richtung Zirkelmitte – und hast dadurch die richtige Gewichtshilfe gegeben und auch gleich das richtige Zügelmaß. Weil du ja die Ellbogen vor dem Körper angewinkelt hast.“

Die Frau winkelt hastig an und nickt.

„Der äußere Zügel muss die Stellung nämlich auch zulassen.“

„Klar“, behauptet die Frau und tut so, als ob sie das immer schon gewusst hätte.

*

„Und wenn du das immer immer immer in dieser Reihenfolge machst, wirst du irgendwann feststellen, dass du die Hand dafür gar nicht mehr brauchst. Weil dein Pferd vorher schon weiß, was es tun soll. Und DANN kannst du einhändig Biegung und Stellung reiten, weil du nämlich dein Pferd am Sitz hast.“

„Am Sitz“, das hört sich an wie bei den Großen. Da hab ich mir schon ein wenig Sorgen um meine Zukunft gemacht.

„Und danach die Piaffe“, haucht die Frau ergriffen.

Und da haben Frau Reitlehrerin und ich dann so getan, als ob wir sie nicht hören würden.

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Zum Weiterlesen: Bei den Nordfalben könnt ihr euer Auge schulen und etwas über die Schiefe erfahren.
Und bei Ride On gibts Übungen zum Stellen und Biegen mit Stangen und Pylonen.

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